KOMMENTARE

Scholz und Lindner sind jetzt Getriebene

von Redaktion

SPD-Fraktion droht ihrem Kanzler

Im Demontieren ihrer Kanzler war die SPD schon immer gut: 1982 ließ die Parteilinke im Streit um die Nato-Nachrüstung Helmut Schmidt im Regen stehen, bis dieser den politischen Freitod im Konflikt mit der FDP wählte. 2005 flüchtete sich der Hartz-IV-Kanzler Gerhard Schröder, bedrängt von derselben Parteilinken, in (später verlorene) Neuwahlen. Und jetzt, weitere 20 Jahre später, setzt die gesamte SPD-Bundestagsfraktion Olaf Scholz das Messer auf die Brust und droht ihm die Gefolgschaft zu verweigern, wenn er Haushalts-Kompromisse mit der FDP zulasten des Sozialetats schließt. Diese Forderung aber kann der Kanzler nur um den Preis des Bruchs der Koalition erfüllen. Darauf haben ihn die Liberalen sogleich in maximaler Härte hingewiesen. Auch im Fall der FDP-Antwort übernahm nicht etwa Parteichef Lindner die Wortführerschaft, sondern die liberale Bundestagsfraktion ( „ohne Schuldenbremse, ohne uns“).

Mit der Meuterei in der SPD hat der Ampel-Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht: Scholz und auch Lindner sind nicht mehr Herren des Verfahrens, sondern Getriebene ihrer Parteien. Ob sie noch über die Autorität verfügen, ihre Abgeordneten zu disziplinieren und auf Kompromisse einzuschwören, ist nach den Geschehnissen der letzten Tage die Frage. Von ihrem Kanzler versprechen sich die SPD-Parlamentarier keine Wahlerfolge mehr, auch nicht die Sicherung ihrer Mandate. Den Ton gibt jetzt Parteichefin Esken an. Ihre Partei, droht sie, lasse nicht zu, dass Deutschlands Solidarität mit der Ukraine gegen die Solidarität mit der eigenen Bevölkerung ausgespielt werde. Der Satz und die darin enthaltene Schmähung des Bundesfinanzministers ist toxisch und wird das Ampel-Klima weiter vergiften.

Für den Kanzler rächt sich, dass er die Zeitenwende nur simuliert hat. Von Anfang an nährte er auch in seiner SPD die Illusion, dass es ohne Folgen etwa für das verschwenderisch verteilte Bürgergeld bleiben könne, wenn Deutschland im Angesicht neuer Gefahren viel Geld in die Verteidigung stecken muss. Obwohl die Welt um uns herum eine andere wurde, ist Scholz, anders als Schmidt und Schröder, nie aus der Logik seiner Koalition und des von Putin zerfetzten Ampel-Vertrags herausgetreten. Führung versprochen, Worthülsen geliefert. Für einen Zeitenwende-Kanzler war das zu wenig.Georg.Anastasiadis@ovb.net

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