Ausweisung für Terror-Jubler

von Redaktion

Bundesregierung will Gesetz verschärfen: Zweifel aus der Praxis, Kritik von der Opposition

Kalifats-Bejubler in Essen: Weiterhin straffrei. © Reichwein/dpa

Berlin – Ein Hasskommentar soll künftig reichen. Die Bundesregierung will ein härteres Vorgehen gegen Ausländer ermöglichen, die Terror gutheißen. Das Kabinett billigte am Mittwoch einen Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), jetzt geht es in den Bundestag. Ob das wirklich zu Abschiebungen führt, ist offen.

Demnach soll eine Ausweisung – also der Entzug einer Aufenthaltserlaubnis – schon nach Billigung einer einzelnen terroristischen Straftat ermöglicht werden. Als Verbreitung eines Inhalts im Sinne des Entwurfs soll dann nicht nur das Erstellen von entsprechenden Inhalten gelten, sondern etwa auch das Markieren eines Beitrags durch „Gefällt mir“ in sozialen Netzwerken wie YouTube, Instagram oder TikTok.

Die Bundesregierung reagiert mit ihrem Vorhaben auf Hasspostings im Netz etwa nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel oder nach dem tödlichen Messerangriff während einer islamkritischen Veranstaltung in Mannheim. Dabei tötete ein Afghane Ende Mai einen Polizisten. Der 25-jährige Täter war als Jugendlicher nach Deutschland gekommen. Eine Aufenthaltserlaubnis besaß er zuletzt, weil er zwei Kinder mit einer Frau hat, die deutsche Staatsbürgerin ist.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Gesetzesverschärfung nach der Attacke in einer Regierungserklärung angekündigt. Faeser sagte am Mittwoch: „Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor.“ Ihr Sprecher wies derweil darauf hin, dass gegen Ausweisungen grundsätzlich vor den Verwaltungsgerichten geklagt werden könne.

Ein schwerwiegendes Interesse des deutschen Staates an einer Ausweisung soll laut Faesers Entwurf künftig auch angenommen werden, wenn jemand bestimmte Straftaten in einer Art und Weise billigt und belohnt, die den öffentlichen Frieden stören könnte. In diesem Fall müsste eine Verurteilung vor einer Ausweisung nicht erst abgewartet werden.

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, hält den Entwurf für nicht zielführend. Für Laien sei nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt. Es sei „völlig wahnsinnig“ zu glauben, dass die Ausländerbehörden künftig im großen Stil nach „Gefällt mir“-Posts schauen könnten. Besser wäre es, wenn ein Ausländer einmal eine Terrortat im Netz bejubelt, dies zum Anlass für ein Gespräch eines Vertreters der Sicherheitsbehörden zu nehmen, „um festzustellen, ob er gefährlich ist“.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, begrüßte den Kabinettsbeschluss als klares Signal an Terrorsympathisanten. Polizei und Behörden müssten aber auch so ausgestattet werden, dass ein spürbarer Verfolgungsdruck aufgebaut werden könne.

Positiv beurteilt Vizekanzler Robert Habeck das Vorhaben. „Es ist eine große Errungenschaft und Stärke unseres Landes, dass verfolgte Menschen in Deutschland Schutz finden können.“ Wer aber die liberale Grundordnung verhöhne, indem er Terrorismus bejubele und Morde feiere, habe sein Bleiberecht verwirkt. Deshalb werde jetzt das Aufenthaltsrecht entsprechend geändert. „Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht.“

Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz hätte sich eine weiterreichende Reform gewünscht. Sie sagte: „Angesichts von massenhaftem Antisemitismus und Kalifats-Demos auf deutschen Straßen muss jede antisemitische und antidemokratische Straftat regelmäßig zu einer Ausweisung führen.“ ANNE-BEATRICE CLASMANN

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