Washington – Angesichts der verheerenden Reaktionen ist eine Debatte über einen Last-Minute-Kandidatenwechsel bei den US-Demokraten entbrannt. „Die Frage ist: Was machen die Demokraten? Ich glaube, es herrscht Panik zurzeit“, sagte Sudha David-Wilp von der US-Stiftung German Marshall Fund Berlin im ZDF.
Joe Biden hat zwar die Vorwahlen der Demokraten klar gewonnen und sich die nötigen Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im August gesichert. Doch der Kandidat wird offiziell erst bei diesem Parteitag in Chicago bestimmt. Wenn Biden dann von sich aus den Verzicht auf die erneute Kandidatur erklären würde – etwa aus Gesundheitsgründen – wäre ein Kandidatenwechsel möglich.
Die Delegierten wären dann nicht mehr an den Ausgang der internen Vorwahl in ihrem Bundesstaat gebunden, sondern frei in ihrer Entscheidung. Der Posten wäre offen für alle möglichen Hochkaräter der jeweiligen Partei, und es würden sicher diverse alternative Bewerber öffentlich ihre Ambitionen verkünden. Die Delegierten würden dann beim Parteitag den neuen Präsidentschaftskandidaten bestimmen. Der Politikwissenschaftler David Barker von der American University in Washington meint: „Das wäre so ziemlich das Aufregendste, was alle, die US-Politik verfolgen, in ihrem Leben erlebt haben.“
Aber die Suche nach einer Alternative wird schwierig: Die natürliche Wahl wäre zwar Vize-Präsidentin Kamala Harris. Aber die 59-Jährige ist noch unpopulärer als Trump oder Biden: Nur 36 Prozent sind laut einer aktuellen Umfrage von USA Today und der Suffolk University mit ihrer Arbeit zufrieden.
Ein weiterer Favorit wäre Gavin Newsom (56), der Gouverneur von Kalifornien. Mit seinen liberalen Ansichten (Engagement auch für illegal Eingewanderte, Gegner der Todesstrafe, Einsatz für allgemeine Krankenversicherung) gilt er in den USA aber vielen Wählern als zu links.
Chancen als Biden-Alternative hätte auch der Gouverneur J.B. Pritzker aus Illinois. Der 59-Jährige entstammt einer Unternehmer-Dynastie und ist mit einem Vermögen von rund 3,2 Milliarden US-Dollar die derzeit reichste Person der Vereinigten Staaten, die ein öffentliches Amt bekleidet.
Gretchen Whitmer (52) stellte als Gouverneurin in Michigan das Streikrecht der Gewerkschaften wieder komplett her und hat dadurch bei klassischen Arbeitern Popularität gewonnen. In Trumps Amtszeit im Weißen Haus planten rechte Milizionäre, Whitmer zu stürzen und sie vor der Wahl 2020 zu entführen, was das FBI verhinderte.
Jared Polis (49) aus Colorado ist der erste US-Gouverneur, der offen homosexuell ist. Josh Shapiro (51), erst seit einem Jahr Gouverneur in Bidens Heimatstaat Pennsylvania, liegt bei Umfragen in dem stets heftig umkämpften Schlüsselstaat in der Popularität klar vor Biden und noch klarer vor Trump.
Pete Buttigieg, der 42-jährige Hoffnungsträger der Demokraten aus dem US-Staat Indiana, hat als Verkehrsminister unter Biden an Reputation verloren: Nach einem Zugunglück im Bundesstaat Ohio 2023, bei dem giftige Chemikalien freigesetzt wurden, reagierte er zu zögerlich. Ein Fehler, für den er sich später sogar öffentlich entschuldigen musste.
Immer wieder genannt wird natürlich auch Michelle Obama. Aber die Ex-First-Lady hat wiederholt und glaubwürdig betont, dass sie keinerlei Ambitionen auf eine Rückkehr ins Weiße Haus habe. KLAUS RIMPEL