Die CSU schielt auf Schloss Bellevue

von Redaktion

Seit Jugendzeiten in herzlicher Rivalität verbunden: Ilse Aigner und Markus Söder 2018 vor einem CSU-Wahlplakat. © Kneffel/dpa

München – Vom Nikolaus kam eine scharfe Warnung. Der kleinen und sehr redseligen Ilse hielt er eines Dezembertags ein Vorhängeschloss vors Gesicht. „Das kommt verschlossen vor Deinen Mund, wenn Du weiterhin so viel redest.“ Die damals Vierjährige war einen Moment stumm beeindruckt, aber nicht lang. „Genützt hat es am Ende nichts“, erzählt Ilse Aigner heute lachend. Irgendwie eine Ironie der Geschichte: Heute, 55 Jahre später, wird sie gehandelt als Option für ein Amt, bei dem es ausschließlich aufs Reden und nur auf die Macht der Worte ankommt.

Aigners Name fällt hier und da, wenn es um den nächsten Bundespräsidenten geht. Es klingt nach einem sehr fernen Szenario, ist es auch, mindestens zeitlich: Anfang 2027 wählt die Bundesversammlung eine Nachfolge für Frank-Walter Steinmeier, dessen zweite Amtszeit endet. Nach Lage der Umfragen dürften Union und SPD dann eine Mehrheit im Gremium haben, vielleicht auch gemeinsam eine Regierung stellen. Mehrfach schon wurde in der Union intern darüber beraten, mögliche Kämpfe zwischen CDU und CSU um die Kanzlerschaft mit einem Deal zu befrieden: Die CDU stellt den Kanzler, die CSU erstmals in der Geschichte den Bundespräsidenten. Es gibt mehrere führende Unionsleute, die in Hinterzimmern darüber reden.

Auf Aigner kommen dann jene, die sich – ebenso eine Premiere – eine Frau im höchsten Staatsamt wünschen. Konservative Frauen sind da rar. Die Oberbayerin gilt als versöhnend im demokratischen Lager, pflegt Freundschaften über Parteigrenzen, ist aus ihrer Zeit als Bundesagrarministerin in Berlin vernetzt. Und als Landtagspräsidentin bringt sie Erfahrung in einem (bayerischen) höchsten Amt mit, repräsentiert eher, als dass sie politisiert. In ihrem harten, klaren Umgang mit der AfD im Landtag zeigt Frau Präsidentin (das wäre aktuell die korrekte Anrede) aber auch Kante. Ihr hat das auch bei der politischen Konkurrenz Anerkennung eingebracht.

Einige in der Union trauen es ihr zu. Volker Bouffier zum Beispiel, der frühere hessische Ministerpräsident, sagt unserer Zeitung, Söder verorte er eher in der aktiven Politik als Regierungschef in Bayern und CSU-Vorsitzender. „Frau Aigner wäre eine ausgezeichnete Wahl. Sie hat breite politische Erfahrung, ist als Landtagspräsidentin souverän und mit ihrem Grundoptimismus in der Bevölkerung sehr angesehen.“

Aigner selbst dementiert nicht, sondern sagt: „Ich beteilige mich nicht an Spekulationen über die Bundespräsidentschaft“, dies aus Respekt vor dem Amt und „vor dem Amtsinhaber, den ich sehr schätze“. Die einzige Interessentin wäre sie aber nicht. Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder selbst wurde auch schon genannt. Ihm wird hohes Interesse an einem Wechsel nach Berlin nachgesagt, 2027 erreicht er sein zehntes Amtsjahr in Bayern, hatte das einst selbst als Limit vorgeschlagen. Mit aller Macht hatte er einst die Staatskanzlei angestrebt, inzwischen, so beobachten es viele in der CSU, scheint sie ihm zu klein. Und in Zeiten sehr knapper Kassen sinkt die Verlockung, ein Land zu regieren.

Aber Söder als Bundespräsident? Für Schloss Bellevue wär‘s eine Kulturrevolution, die sich nicht viele in Berlin vorstellen können. Söder ist ein Macher, eine Schlagzeilen-Maschine. Der Gegenentwurf zu Steinmeier, der lange als Mann im Schatten von Gerhard Schröder wirkte. Söder wäre mit seinem Drang ins Rampenlicht eher eine Art Neben- bis Überkanzler. Schwer vorstellbar, dass er sich bei aktuellen politischen Fragen auf die Zunge beißt. Die Republik „völkerrechtlich nach außen“ zu vertreten, im Inneren an der Regierungsbildung „mitzuwirken“ – Söder würde das gewiss sehr wuchtig auslegen.

Während die CSU schon munter über die Personalien diskutiert, herrscht bei der SPD Kopfschütteln. Erstens sei die Wahl 2025 für die Genossen noch nicht verloren, heißt es. Zweitens könne bei den vielen Landtagswahlen bis 2027 noch einmal viel passieren. Allein 2026 gibt es fünf Landtagswahlen, da könne sich alles in der Bundesversammlung noch einmal verschieben. Das ist nicht falsch, zumal schon die Wahlen in diesem September alle Gedankenspiele über den Haufen schmeißen könnten. Was passiert, wenn die CDU im Osten ein komplettes Desaster erleidet? Läuft die Kanzlerkandidatur dann immer noch auf Friedrich Merz zu oder wäre Söder doch noch eine Option? Söder selbst hält sich bereit. Klar ist: Kanzleramt und Schloss Bellevue gleichzeitig wird die CSU niemals bekommen.

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