Verliert Macron, dann verliert Europa

von Redaktion

Neuwahl in Frankreich

Es gibt verschiedene Theorien dazu, warum Emmanuel Macron tat, was er tat. Vielleicht löste er das Parlament tatsächlich in dem Glauben auf, dass die Rechtspopulisten gewinnen und einen Regierungschef stellen werden, der sich selbst – und mit ihm die extremen Rechten – bis zur Präsidentschaftswahl 2027 entzaubert. Macrons Ziel war es stets, Marine Le Pen als Präsidentin zu verhindern, und womöglich sind die Neuwahlen Teil eines Notfallplans. Das wäre dann besonders raffiniert oder besonders bescheuert – auf jeden Fall extrem riskant. Was, wenn Le Pen in drei Jahren umso schneller in den Élysée rauscht?

Nach der ersten Wahlrunde am Sonntag werden Frankreich und Europa ein bisschen schlauer sein. Eines aber zeichnet sich schon ab: In den nächsten Jahren wird es Paris nicht leicht haben. Die (wahrscheinliche) Kohabitation, also der Zustand, dass der Präsident und die stärkste Parlamentsfraktion samt Regierungschef aus völlig verschiedenen Lagern kommen, ist kein Zuckerschlecken und funktioniert nur dann, wenn beide Seiten ein gemeinsames Interesse am Fortkommen des Landes haben. Der Front National aber hasst den mittigen Macronisme und will ein anderes Frankreich. Für Teile der ebenfalls starken Linken um den Extremen Jean-Luc Mélenchon gilt das Gleiche.

Frankreich wird sich wohl auf absehbare Zeit politisch vor allem mit sich selbst beschäftigen. Für die stark herausgeforderte EU sind das keine guten Nachrichten – für Deutschland auch nicht. Jahrelang versuchte Macron, Paris und Berlin zum Zentrum eines neuen europäischen Selbstbewusstseins zu machen. Doch weder Merkel noch Scholz bissen an. Ein Frankreich mit starken Rändern und schwacher Mitte wird sich weiter abwenden. Wir haben eine Chance vertan. Marcus.Maeckler@ovb.net

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