Weckruf vom Chef? Friedrich Merz bei der CDU-Klausur.
Berlin/München – Am Ende stehen bei der Union 11 944 867 Stimmen. Was aber viel eingängiger ist: Es sind hauchdünn genau 30,0 Prozent. Das ist eine psychologisch wichtige Marke beim Endergebnis der Europawahl von Anfang Juni. CDU und CSU kleben jedenfalls nicht im 20er-Bereich fest. Das ist ein Sprung gegenüber der Bundestagswahl 2021 mit 24,1 Prozent. Trotzdem macht sich allmählich eine Frage in den Unionsparteien breit: Warum eigentlich nicht mehr?
Am Sonntag hat, so schreibt die Plattform „Pioneer“, CDU-Chef Friedrich Merz persönlich klargemacht, dass ihm das nicht reicht. In der Klausur des Parteipräsidiums sagte Merz, die 30 seien nur ein „Minimalziel“. Man müsse besser werden. Merz sprach mit Blick auf die Bundestagswahl von einem Potenzial von 36 Prozent.
„Potenzial“ heißt nicht „Wahlziel“. Aber es umschreibt, dass viele für die Union erreichbare Wähler derzeit ihre Kreuzchen anders setzen. Auch in Umfragen wie dem „Insa“-Trend von Sonntag hängt die Union bei 30 fest. Eigentlich herrscht ja Wechselstimmung im Land: Die Ampel aus SPD, FDP und Grünen ist in Umfragen unbeliebter als jede andere Bundesregierung zuvor. Viele Wähler sind allerdings offenkundig direkt an die Ränder weitergewandert, unterstützten AfD oder BSW, bei der Europawahl auch auffällig viele Kleinparteien. Für die CDU nicht rosig ist außerdem die Rechnung, wie sie ohne die CSU dastünde, die in Bayern knapp 40 Prozent holte. Auf die übrigen 15 Länder gerechnet, schaffte die CDU bei der Europawahl nur 23,7 Prozent.
In CDU wie CSU wird das inzwischen kritisch angesprochen. „Wir wissen alle, dass für die Union eigentlich mehr drin sein muss“, sagte die nordrhein-westfälische CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler am Wochenende der „FAZ“. Der frühere CSU-Chef Erwin Huber hatte schon vor einem Monat gewarnt, die rund 30 Prozent „reichen für eine starke Bundesregierung nicht aus. Denn wir brauchen eine Zweierkoalition. Sie sehen ja, dass ein Dreierbündnis wie die Ampel nicht funktioniert.“ Noch ein Gedanke kommt hinzu: Nur mit einem deutlichen Sprung Richtung 40 wäre überhaupt eine bürgerliche Koalition mit der FDP denkbar.
Inhaltlich will Merz sich nun auf die Themenfelder fokussieren, für die der Union die höchsten Kompetenzwerte zugesprochen werden: Wirtschaft, Sicherheit und Migration. Das sind auch Themen, die bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September wichtig sind. Zugleich fährt er seine Wortwahl in der Ukraine-Politik zurück, fordert derzeit nicht offen eine „Taurus“-Lieferung. Merz verknüpft das mit einem fast flehentlichen Aufruf vor den Ost-Wahlen: Wer dort SPD, FDP oder Grüne wählen wolle, die an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern drohen, solle die Stimme gleich der CDU leihen.
Trotzdem wir inzwischen in der Union auch wieder über die Personalien gesprochen. Oder, wie ein hoher CSUler unlängst umschrieb: Mit Merz spüre man eine Art gläserne Decke. In Umfragen liegt der Oppositionsführer allenfalls im Mittelfeld und noch unterhalb der Unions-Werte. Das Forsa-Trendbarometer für RTL und ntv ergab vergangene Woche, dass 29 Prozent bei einer (hypothetischen) Direktwahl für Merz wären, 27 Prozent für Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD). Die restlichen 44 Prozent befanden: keiner von beiden.
CD