Nein, Zufall war der Zeitpunkt nicht. Just zur Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft kündigt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Gründung einer neuen Rechtsfraktion im EU-Parlament mit der FPÖ und der tschechischen ANO (und womöglich bald der AfD?) an. Die „Patriots for Europe“ wollen von Brüssel aus die Macht Brüssels beschneiden. Die Freunde Russlands und Chinas verbünden sich also – deutlicher könnte Orbáns Botschaft an die, nun ja, „Partner“ kaum sein.
Muss man sich also große Sorgen wegen der ungarischen Sonderrolle machen? Eher nicht. Zu den Kernaufgaben der Ratspräsidentschaft gehört es, als „ehrlicher und neutraler Vermittler“ bei der Gesetzgebung zu helfen. Der kalendarische Zufall will es, dass Budapest diese Rolle unmittelbar nach der Wahl übernimmt. Die Spitzenposten sind gerade neu vergeben, die Fraktionen müssen sich erst finden. Große Entscheidungen sind in dieser Phase kaum zu erwarten. Zudem waren Orbán schon beim Gipfel Anfang Februar die Grenzen aufgezeigt worden, als er sich mit seinem Veto gegen die Ukrainehilfen verzockt hatte. Nun wird er zwar hier und da Prozesse verzögern können, etwa die Beitrittsgespräche mit der Ukraine. Aber dieser Prozess ist ohnehin auf Jahre angelegt…
Das Problem Europas liegt derzeit nicht in Budapest, sondern eher in Paris und Brüssel. Beide Lokomotiven des Bündnisses stottern gewaltig. Und eine rasche Reparatur ist leider nicht in Sicht. Mike.Schier@ovb.net