Der Putin-Versteher wirbt für Frieden

von Redaktion

Ein schwieriger Gast: Viktor Orbán bei Wolodymyr Selenskyj. Orbán gilt als eher russlandnah und europakritisch. © ZOLTAN FISCHER/HUNGARIAN PM’S PRESS OFFICE

Kiew – Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einer raschen Waffenruhe mit Russland aufgerufen. Ein solcher Schritt könne Friedensverhandlungen mit Moskau „beschleunigen“, sagte Orbán gestern bei seinem ersten Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew seit Kriegsbeginn vor mehr als zwei Jahren. Selenskyj hielt dem ungarischen Regierungschef entgegen, sein Land brauche einen „gerechten Frieden“.

Orbán sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten, er habe Selenskyj aufgefordert, „die Möglichkeit einer Waffenruhe schnell in Betracht zu ziehen“. Eine solche Waffenruhe wäre „zeitlich begrenzt und würde es erlauben, die Friedensverhandlungen zu beschleunigen“. Orbán war zuletzt 2015 in der Ukraine gewesen. Damals war noch Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko im Amt.

Trotz des seit mehr als zwei Jahren andauernden russischen Angriffskrieges unterhält Orbán weiterhin enge Beziehungen zu Moskau. Sanktionen gegen Russland und Finanzhilfen der EU für Kiew hat der ungarische Regierungschef mehrfach verzögert. Zudem kritisierte er die Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Im Oktober 2023 nahm Orbán zusammen mit Kreml-Chef Wladimir Putin an einem Gipfeltreffen in Peking teil. Es war das erste Treffen eines EU-Staats- und Regierungschefs mit Putin seit Kriegsbeginn.

Orbáns Besuch bei Selenskyj war nach Angaben aus ukrainischen Regierungskreisen seit Monaten vorbereitet worden. Andere EU-Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter weiterer westlicher Verbündeter der Ukraine reisen hingegen regelmäßig zu Solidaritätsbesuchen nach Kiew. Am Montag hatte Ungarn turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Orbán sagte, er werde den Staats- und Regierungschefs der EU von seinen Gesprächen mit Selenskyj berichten, damit die EU die „notwendigen Entscheidungen“ treffen könne.

Selenskyj betonte, Orbáns Besuch in Kiew zeige die „gemeinsamen europäischen Prioritäten“, um „der Ukraine und ganz Europa einen gerechten Frieden zu bringen“. Zugleich rief der ukrainische Staatschef die EU auf, ihre Hilfen für sein Land beizubehalten. Es sei „sehr wichtig für uns alle in Europa, dass Europas Unterstützung für die Ukraine auf einem ausreichenden Niveau bleibt, auch hinsichtlich unserer Verteidigung gegen den russischen Terror“.

Das Verhältnis zwischen Orbán und Selenskyj ist seit Kriegsbeginn extrem angespannt. In einer Rede nach seiner Wiederwahl im April 2022 hatte Orbán Selenskyj zu seinen „Gegnern“ gezählt. Selenskyj wiederum hatte den ungarischen Regierungschef wegen seiner mangelnden Unterstützung für die Ukraine wiederholt scharf kritisiert.

Im Dezember waren sich Orbán und Selenskyj bei der Amtseinführung des argentinischen Präsidenten Javier Milei kurz begegnet und hatten nach Angaben Selenskyjs ein „offenes“ Gespräch geführt. Im Internet kursierende Videos zeigten den hitzigen Wortwechsel, bei dem Orbán mit dem Rücken zur Wand stand. Ähnliche Bilder gab es nach einem weiteren kurzen Aufeinandertreffen beim EU-Gipfel in Brüssel in der vergangenen Woche.

Ein weiterer Streitpunkt im Verhältnis der Nachbarn sind die Rechte der ungarischen Minderheit in der Ukraine, als deren Schutzpatron sich Orbán seit Jahren inszeniert. Dabei zeichnet sich offenbar eine Entspannung ab. Orban versprach Finanzhilfen zur Einrichtung von Schulen für die ukrainische Minderheit und Flüchtlinge in Ungarn. Budapest drängt Kiew seit Langem, der ungarischen Minderheit im Transkarpatengebiet wieder mehr Rechte unter anderem bei der Bildung zuzugestehen.

Der Kreml erklärte, von Orbans Besuch in Kiew sei nicht viel zu erwarten. Russland greift die Ukraine seit Februar 2022 täglich an. Am Dienstag gab Moskau die Zerstörung von fünf ukrainischen Kampfflugzeugen bekannt. Bei einem Raketenangriff auf einen Flugplatz nahe der zentralukrainischen Stadt Myrgorod seien fünf einsatzbereite Kampfjets vom Typ SU-27 zerstört worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Der ukrainische Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk bezeichnete die Angaben als „Propaganda“.

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