Als Rishi Sunak den Neuwahltermin verkündete, regnete es in Strömen, und dass der britische Premier in diesem chronisch nassen Land den Schirm vergaß, sprach irgendwie Bände. Nicht mal zwei Jahre lang regierte er in London und obwohl mit ihm wieder etwas Ruhe einkehrte, hatte er wohl nie eine wirkliche Chance auf Verlängerung. Nicht wegen der Stärke des politischen Gegners, Labour-Chef Keir Starmer. Sondern wegen der erdrückenden Last der 14 Torie-Regierungsjahre, in denen erst Premier David Cameron das Land in den Brexit taumeln ließ, bevor Egomanen wie Boris Johnson und – so kurz wie heftig – Liz Truss London zur Lachnummer machten.
Die Briten waren lange geduldig, jetzt haben sie die Nase voll. Alles spricht dafür, dass sie den Konservativen bei der heutigen Wahl eine historische Niederlage verpassen werden. Was das innenpolitisch bedeutet, lässt sich noch nicht so recht absehen. Doch für Europa ist der Regierungswechsel eine glückliche Fügung. In dem Moment, da sich Frankreich womöglich einer EU-skeptischen populistischen Verführung hingibt, könnte Keir Starmer als neuer Premier das nüchterne Verhältnis zwischen London und Brüssel wieder beleben. Jedenfalls hat er, der stets gegen den Brexit war, eine Annäherung angekündigt: nicht nur beim Handel, sondern auch bei Sicherheit und Verteidigung. Sollte sich zum Beispiel beim Thema Rüstung die Chance einer substanziellen Zusammenarbeit bieten, wären das gute Nachrichten für Europa – und schlechte für den Kreml. Zu viel erwarten sollte man nicht, hoffen darf man schon.
Den abgewirtschafteten Tories dürften zähe Jahre bevorstehen – schamlose Comeback-Versuche inklusive. Dass einer wie Boris Johnson auf eine neue Chance lauert und in seiner verwundeten Partei leichte Beute sieht, versteht sich von selbst. Echte Konsolidierung sähe natürlich anders aus, sie bräuchte Zeit und frische Köpfe. Hoffentlich finden sich bei den Tories genug Vernünftige, die das erkennen. Marcus.Maeckler@ovb.net