Frag‘ den Kanzler: Olaf Scholz (SPD) steht links an der Regierungsbank, die Abgeordneten befragen ihn reihum. © Michael Kappeler/dpa
Berlin/München – Es mag politisch der größte Sturm toben, doch der Kanzler steht aufrecht und reglos hinter der Regierungsbank am Mikrofon. Keine Emotion, wenn ihn die CDU hart attackiert, wenn ihn die AfD kritisiert, keine Emotion, wenn ihm seine SPD liebesdienerische Scheinfragen vorliest. „Wir sind in sehr ernsten Zeiten“, sagt Olaf Scholz nur, umso wichtiger sei „Klarheit“.
Klarheit? Ein großes Wort nach der rituellen Befragung des Kanzlers im Bundestag. Reihum dürfen die Fraktionen Fragen stellen, Scholz weicht aus. Das gilt auch für die zentrale Frage: Wann kommt der neue Haushalt? Mit Schulden, ohne? Kommt überhaupt einer, oder zerreißt es die Koalition? „Ich bin überzeugt, dass uns das gelingen wird“, sagt Scholz, man sei „auf den letzten Metern“, aber „noch nicht ganz durch“. Für Juli kündigt er einen Kabinettsbeschluss an. „Mir gefällt, was ich schon kenne.“ Der Bundestag solle „noch ein bisschen warten“.
Scholz‘ Gelassenheit kontrastiert mit der Stimmung. Erboste Unions-Abgeordnete rufen ins Plenum, das sei ein „unmöglicher Umgang mit dem Parlament“. Sie ärgert die Geheimniskrämerei, „so geht es nicht“. Auch in der Koalition wächst die Unruhe. Es geht ja nicht um eine technische Formalie beim 2025er-Etat, sondern um die Leitfrage: Rauft sich die Koalition noch mal zusammen, schließt sie die noch bestehende Milliardenlücke?
Die Kanzlerpartei SPD hat nun für Freitagmorgen zur auch für Politiker frühen Morgenstunde von 7 Uhr eine Sondersitzung der Fraktion anberaumt, um über den Stand der Haushaltsverhandlungen zu beraten. Und zwar ausdrücklich unabhängig davon, ob es bis dahin eine Einigung von Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) gibt. Das erhöht den Druck auf die Unterhändler.
Die Konfliktlinie ist klar: SPD und Grüne wollen über Umwege neue Schulden. Zumindest die Ukraine-Hilfen könnte man vielleicht aus dem Haushalt rausrechnen. Die FDP lehnt jedes Rütteln oder Aussetzen der Schuldenbremse klar ab. Diese Woche schickte die FDP noch mal mehrere Führungsleute nach vorne, um indirekt mit einem Ende des Bündnisses zu drohen. Mehrheiten gegen die Schuldenbremse gebe es „nur ohne die FDP“, sagte etwa Parteivize Johannes Vogel.
Am Mittwoch, dem Tag, für den die Koalition eigentlich einen fertigen Etat versprochen hatte, sendet der Grüne Habeck vor Journalisten dafür eine klare Botschaft an Lindner: „Vorfestlegungen helfen nicht. Wir müssen das Ding festnageln.“ Jeder müsse an seine Schmerzgrenze gehen, „oder einen Meter darüber hinaus“.
Die Zeit drängt, denn der Haushalt ist umständlich. Dem Vernehmen nach peilt Scholz einen Kabinetts-Beschluss für 17. Juli an. Falls sich die Ampel einigt, sind erfahrungsgemäß rund zehn Tage nötig, ein Haushaltsgesetz zu formulieren. Damit muss sich dann der Bundestag befassen, in ausführliche, wochenlange Beratungen einsteigen. Das Parlament allerdings ist schon nächste Woche im Urlaub, oder, wie die Abgeordneten lieber sagen, in der „sitzungsfreien Zeit“. Erst Richtung Mitte September gibt es wieder Sitzungen.
In der Zwischenzeit werden aber schon zwei der drei Wahlen in ostdeutschen Bundesländern gelaufen sein, in denen die drei Ampel-Parteien mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpfen. Politisch Wirkung entfalten können die Haushalts-Pläne bis dahin kaum. Dabei soll es neben dem nackten Zahlenwerk explizit um einen „Wachstumsturbo“ gehen, so benannte es jedenfalls Scholz bei seinem Auftritt. Das soll ein Paket zum Ankurbeln der Wirtschaft sein, Volumen unklar.
Auch wenn es nach Annäherung aussieht – mit einer ruhigen Sommerpause dürfte es ohnehin nichts werden. In der SPD wird über eine weitere Sondersitzung zumindest der eigenen Abgeordneten zum Haushalt spekuliert. Von den Grünen heißt es, man wolle sich das eigentlich „ersparen“. Und Scholz hat sowieso keine Pause: Er muss schon nächste Woche zum Nato-Gipfel nach Washington fliegen.