Le Pens Kronprinz

von Redaktion

Jung, männlich, rechts: Jordan Bardella will Frankreichs Premier werden, seine Förderin denkt schon an mehr

Le Pen und ihr politischer Ziehsohn: Jordan Bardella will erster Premier der Rechten werden. © Thomas Padilla/AP/dpa

München – Jüngst erfand eine politische Konkurrentin einen Spitznamen für Jordan Bardella: „Barde-pas-là“, Bardella ist nicht da. Es war so eine Art Revanche, weil der 28-Jährige die Linken-Politikerin Tage zuvor „Frau Hamas“ genannt hatte – und eine Anspielung auf seine, nun ja, ausbaufähige Anwesenheit im EU-Parlament. Inzwischen wirkt der Name seltsam unpassend. Bardella ist so präsent wie nie zuvor.

Bald schon könnte er Frankreichs neuer Premierminister werden. Der Chef des Rassemblement National (RN) und Zögling von Marine Le Pen wäre der erste Rechtspopulist in dem Amt. Ein Mann mit smarter Erscheinung, guten Manieren – aber harter Linie.

Bardellas Geschichte ist fast beispiellos. Mit 16 trat er dem Front National, wie die Partei damals noch hieß, bei. Er bewunderte Le Pen, sie förderte ihn und machte ihn peu à peu zum Gesicht ihres Projekts „Entteufelung“: Die radikale Schmuddeltruppe sollte wählbar werden und der nett lächelnde Herr Bardella war das ideale Zugpferd – jung, ein Kind italienischer Einwanderer, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, der personifizierte Bruch mit der Vergangenheit. Mit ihm schienen neue Wählerschichten erreichbar: Junge, Arbeiter.

Dass der Vater zu Geld kam, die Jugend also so bescheiden nicht war, fehlt in der Heldengeschichte, die so weitergeht: Mit 22 wurde er Parteisprecher, mit 23 EU-Spitzenkandidat, seit bald zwei Jahren ist er RN-Chef.

Der nächste Schritt könnte am Sonntag folgen. Bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen hofft der RN auf die absolute Mehrheit. Die Chancen sind zwar etwas geschrumpft, weil sich Linke, Liberale und gemäßigte Konservative offenbar doch noch mal zur „republikanischen Front“ gegen das Rassemblement aufraffen. Bardella weiß aber selbst das für seine Zwecke zu nutzen. „Im Gegensatz zu unseren Gegnern, die uns nur am Sieg hindern wollen, haben wir Ehrgeiz und einen Plan für das Land“, prahlte er diese Woche.

Sätze wie diese kommen im hitzigen Polit-Klima bei vielen an. Während das Mitte-Links-Lager aufgeregt vor dem RN warnt, gibt Bardella den Besonnenen. Immer wieder verspricht er eine pragmatische Politik, gibt vor, allen anderen Kräften die Hand zu reichen. Selbst nach Berlin schickte er die auf Beruhigung angelegte Botschaft, er habe „Respekt vor den deutsch-französischen Beziehungen“. Inhaltlich aber folgt er den alten Konstanten: Skepsis gegenüber der EU, Härte bei der Einwanderung, Frankreich zuerst.

Es sind die Standpunkte Le Pens, die im Hintergrund weiter die Fäden zieht. Ihr Plan ist klar: Bardella soll Premier werden, sich im Amt profilieren, sie selbst will dann spätestens 2027 im dritten Anlauf Macron als Präsidentin beerben. Beide hätten die Republik dann vollkommen in der Hand – oder vielmehr: sie. Manche in der Partei halten Bardella für einen Steigbügelhalter Le Pens, einen ohne eigenes Profil.

Umso interessanter ist es zu beobachten, wie er sich nun doch etwas absetzt. Kurz vor der Wahl am vergangenen Sonntag sagte er etwa: „Ich werde nicht zulassen, dass der russische Imperialismus einen verbündeten Staat wie die Ukraine absorbiert.“ So deutlich hatte die kremlfreundliche Le Pen Kiew bisher nicht den Beistand gelobt. Manche meinen schon, mit wachsendem Selbstbewusstsein könnte Bardella seiner Förderin auf lange Sicht Konkurrenz machen.

Ob die Rechtspopulisten ihre Pläne umsetzen können, hängt von der Wahl am Sonntag ab. Bardella hatte zunächst angekündigt, nur mit absoluter Mehrheit regieren zu wollen, aber Le Pen korrigierte ihren Zögling: Sollten nur wenige Stimmen fehlen, gehe man auch auf andere Parteien zu. Das letzte Wort beim RN hat noch immer die Matriarchin. MARCUS MÄCKLER

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