Zu Viktor Orbán würden einem so einige Beinamen einfallen, aber die eines Friedensfürsten sicher nicht. Nun ist ausgerechnet Ungarns Premier nach Moskau gereist, kaum dass sein Land die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Das wirkt wie ein wuchtiger erster Akzent, aber dieser Schein trügt. Brüssel wird sich hüten, ausgerechnet die Nervensäge Orbán mit einem Mandat auszustatten. Von Friedensverhandlungen kann keine Rede sein.
Man sollte aber auch nicht so blauäugig sein zu erwarten, dass ein westeuropäischer Regierungschef es eher schaffen würde, auf Putin einzuwirken. Der hat gar kein Interesse daran, Gäste zu empfangen, die seit Kriegsbeginn unmissverständlich an der Seite der Ukraine stehen. Sollte Putin bei diesem Thema jemals einen Vermittler akzeptieren, dann wird es der Vertreter eines Staates sein, der selber keine lupenreine Demokratie ist.
Aber auch das wird noch dauern. Aktuell hat Moskau keine Eile, denn die US-Wahlen können das Gewicht dramatisch zu Putins Gunsten verschieben. Warum sollte er Zugeständnisse machen, solange die Chance auf eine Rückkehr Donald Trumps besteht, der die Ukraine am langen Arm verhungern ließe?
Orbáns Moskau-Reise mag deshalb eine schrille Note haben, sie ist ein Aufreger, aber gewiss kein Skandal. Sie bringt Europa nichts, Ungarns Premier dagegen eine Menge Aufmerksamkeit. Ein echter Orbán eben. Marc.Beyer@ovb.net