Größer statt grüner: Wie die EVP von der Leyen einnordet

von Redaktion

Verzicht auf strengere Umweltauflagen, weg mit der Entwaldungs-Richtlinie: Neue Prioritäten für die Kommission

Beratung an der portugiesischen Riviera: Ursula von der Leyen und Manfred Weber (r.) mit Parteifreunden. © PETINGA/epa

München/Straßburg – Es sieht nach einem sommerlich-entspannten Beisammensein aus. In Cascais an der portugiesischen Riviera, in einem Luxushotel zwischen Meer und Golfplatz, tagt derzeit die EVP, also die Fraktion der Christdemokraten in Europa: 25 Grad, Sonne, Rückblick auf einen satten Wahlerfolg im Juni. Der gar so lockere erste Eindruck täuscht aber. Denn im Zentrum der Sommerklausur der knapp 200 Politiker steht ein zähes Ringen um den Kurs der EU-Kommission.

Zwei Welten prallen da aufeinander. Die frisch gewählten Abgeordneten hätten‘s gern ein bisschen konservativer, wirtschaftsnaher als bisher. Prioritäten: weniger grün. Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen (CDU) hat da aber ein Problem: Sie will die anderen Fraktionen nicht verprellen. Sie braucht rote, gelbe, vielleicht auch grüne Stimmen für ihre Wiederwahl am 18. Juli.

Die Abgeordneten, angeführt von CSU-Vize Manfred Weber als ihrem Fraktionschef, haben einen Fünf-Punkte-Plan gepackt, der unserer Zeitung vorliegt. Der Entwurf hat es in sich. Sie verlangen eine harte Asylpolitik, die „illegale Migration stoppt“. Die Grenzschutzbehörde Frontex soll auf 30 000 Leute verdreifacht werden, es soll Zäune und Ankunftszentren an der Grenze und Pakte mit Herkunfts- und Transitländern geben.

Bei der Wirtschaft soll aus dem „Green Deal“ ein Wirtschafts-Abkommen („Green Growth Deal“) werden, also mit komplett verschobenen Prioritäten. „Wir schützen das Klima, aber wir stellen sicher, dass das nicht überbordende Bürokratie erzeugt“, ist einer der Leitsätze. Das Verbrennerverbot will die EVP kippen. „Europa verliert leider derzeit ökonomisch an die großen Giganten wie China und die USA an Substanz“, sagt Weber der ARD. „Das müssen wir stoppen und umdrehen.“ Also auch: Weniger Umweltvorgaben, weniger Bürokratie für Landwirtschaft und Fischerei. Die Position der Bauern soll gestärkt werden.

Die EVP will auch die Entwaldungsrichtlinie stoppen, die Ende 2024 scharfgestellt werden sollte. In der EU darf ein Produkt demnach nur verkauft und aus der EU nur exportiert werden, wenn es nachweisbar nicht auf Flächen hergestellt wurde, die nach 2020 entwaldet wurden. Dahinter steckt ein enormer Bürokratie-Aufwand. Die deutsche Wirtschaft hatte eindringlich davor gewarnt. „Der weltweite Schutz der Wälder ist ein wichtiges Anliegen. Die EU-Verordnung schießt über dieses Ziel aber weit hinaus“, rügte unter anderem die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw). Für Marktteilnehmer, die mit dem Rohstoff Holz arbeiten, seien das „praktisch unüberwindbare Hürden“.

Sogar eine Revision des Schutzstatus für Bären und Wölfe steht im Konzept, im Alpenraum heiß diskutiert. Hinzu kommt ein scharfer Kurs bei der Verteidigung.

Die EVP wird sich darauf verständigen können. Es folgen in der nächsten Woche Gespräche mit den Spitzen von Sozialdemokraten und Liberalen. Da wird es dann Kompromisse brauchen, denn ohne ihre Stimmen würde von der Leyen am 18. Juli im Parlament durchfallen. Faustformel: Von den 720 Sitzen braucht von der Leyen mindestens 361 Stimmen. Nominell hätten Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale rund 400, allerdings gibt es Abweichler; je nach Schätzung bis zu 50. So fiel die deutsche SPD von der Leyen schon beim Migrationspakt vor einigen Wochen in den Rücken. Und selbst in der EVP, bei französischen wie slowenischen Abgeordneten, hat sie ein Dutzend harte Gegner. Und die Wahl ist geheim.

Das klingt arg wackelig. Für von der Leyen spricht: Sie hat intern schon mit den Grünen sondiert, kann da auf einzelne Stimmen hoffen. Und in geheimer Wahl ist auch denkbar, dass die italienischen Abgeordneten der Meloni-Partei, obwohl rechts von der EVP stehend, von der Leyen unterstützen; wie beim Migrationspakt. Hier, bei Sozialdemokraten und Liberalen wirkt zudem disziplinierend, dass sie ihre Kommissarskandidaten ebenfalls durchs Parlament bringen wollen. Damit das reibungslos im ersten Durchgang klappt, braucht jeder Bewerber eine Zweidrittel-Mehrheit.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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