KOMMENTARE

Und wieder springt die Ampel vom Totenbett

von Redaktion

Lindner gewinnt den Etat-Poker

Man kann der zänkischen Ampel viel nachsagen, aber zumindest in der Kunst des eigenen Überlebens nimmt sie es mit jeder Vorgängerregierung auf. Mehr noch: Die Koalition hat sich daraus einen neuen Gründungsmythos gebastelt, indem sie ihr schieres Überleben angesichts des politischen Chaos in den USA und Frankreich zur obersten Bürgerpflicht erklärt. „Deutschland muss der Stabilitätsanker in Europa sein, wir dürfen uns nicht mit uns selbst beschäftigen“, sagte der Kanzler am Freitag bei der Vorstellung des unter lautem Ach und Krach zusammengebogenen Haushalts für 2025.

Natürlich: Es ist ein Haushalt des kleinsten gemeinsamen Nenners, aber schon dessen Zustandekommen ist angesichts der enormen Fliehkräfte zwischen den drei Partnern ein mittleres Wunder. Nach dem Sieger muss man nicht lange suchen: Es ist Bundesfinanzminister Christian Lindner, der sowohl die Einhaltung der Schuldenbremse als auch die Rücknahme heimlicher Steuererhöhungen durch die kalte Progression durchsetzen konnte. Um 23 Milliarden Euro sollen Bürger und Unternehmen in den Jahren 2025 und 2026 entlastet werden. Das ist keine Kleinigkeit, auch wenn SPD, Grüne und FDP woanders wichtige Antworten auf die Zeitenwende und den drohenden Ausfall der USA als Ukraine-Unterstützer schuldig bleiben. Bundesverteidigungsminister Pistorius etwa wird statt mit den geforderten Milliarden mit ein paar lächerlichen Peanuts abgespeist.

Etliche Extrafässer EM-Bier werden vor allem die Abgeordneten der SPD brauchen, um sich die Ergebnisse des Haushalts-Pokers schön zu saufen: Sie müssen weiter die verhasste Schuldenbremse ertragen, dazu (überfällige) schärfere Kontrollen und Sanktionen beim Bürgergeld. Wohl um den gewiss bald aufbrandenden Unmut seiner Leute darüber etwas abzufangen, garnierte SPD-Fraktionschef Mützenich seinen schmallippigen Lobpreis der Etateinigung mit etlichen Gemeinheiten gegen Zuchtmeister Lindner. Der wird das ertragen können – und im Stillen hoffen, dass die Wut der SPD seinen Erfolg noch heller glänzen lässt. Denn der FDP-Chef geht mit dieser Etateinigung die riskanteste Wette ein: Die Liberalen bleiben in der ungeliebten Regierung und müssen hoffen, dass ihre Wähler sie im Herbst 2025 trotzdem über die 5-%-Hürde hieven.Georg.Anastasiadis@ovb.net

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