Streng verboten um 20:01 Uhr. In Bayern zumindest. © dpa
München – Das Schreiben an die „lieben Landtagsabgeordneten der CSU“ schließt „mit freundlichen Grüßen“. Auf den knapp 60 Zeilen dazwischen geht es allerdings recht kräftig zur Sache. Die CSU dürfe „nicht die Rolle der Verhinderin“ einnehmen, sie solle „Bevormundung von oben und kleinteiliges Reglementieren“ unterlassen.
Post unter Parteifreunden: Mit dem deutlichen Schreiben appellieren etliche Aktive der Jungen Union und anderer junger CSU-Untergruppen an die Landtagsfraktion, doch noch den Ladenschluss an Werktagen zu lockern. Wenigstens bis 22 Uhr soll das Einkaufen in regulären Läden möglich sein, fordern sie. In den anderen Bundesländern habe sich das bewährt. Vor allem in Ballungszentren sei der Bedarf hoch, werde von Lieferdiensten und mit Online-Bestellungen gedeckt – auf Dauer zulasten der Geschäfte. Niemand zwinge sie zu längerem Öffnen, aber man solle es erlauben.
Sensibles Thema, sensibler Zeitpunkt: Um den späteren Ladenschluss ringt die CSU seit – kein Scherz – zwei Jahrzehnten. Bringt nix, sagen ländliche Abgeordnete, gibt auch nicht mehr Umsatz, nur weniger Freizeit. Einmal endete eine Kampfabstimmung in der Landtagsfraktion mit einem Patt, die Legende sagt, weil einflussreiche Politiker im falschen Moment auf die Toilette mussten. Zu einem eigenen Ladenschlussgesetz, das das Uralt-Gesetz des Bundes mit der 20-Uhr-Grenze ablöst, fand sich die CSU nie zusammen.
Nun soll es ein solches Landesgesetz geben, um anderes zu regeln: bis zu acht lange Einkaufsnächte, hier und da ein verkaufsoffener Sonntag, dazu eine totale Freigabe für digitale Kleinsupermärkte unter der Woche sind in der Koalition vereinbart. Nur an die 20 Uhr wagt sich die Mehrheit der Abgeordneten nicht ran. Eine muntere Diskussion in der Fraktion endete, sagen Teilnehmer, mit überwiegender Skepsis. Auch die Spitzen, Fraktionschef Klaus Holetschek, die fürs Gesetz zuständige Arbeitsministerin Ulrike Scharf und Ministerpräsident Markus Söder, sehen keinen Handlungsbedarf.
Der offene Brief aus der JU ist ungewöhnlich. Man wolle den Sonntag nicht antasten, stellt Josef Rohrmoser klar, einer der Unterzeichner. Es gehe um einen 22-Uhr-Rahmen an Werktagen, der in der Praxis dann vor allem in München genutzt würde, vom Rewe in seinem Heimatort bei Bad Tölz eher nicht, sagt der oberbayerische JU-Bezirksvorsitzende. Im Brief wird gewarnt: „Der Unmut aus der Bevölkerung über die aktuelle Regelung und die Diskussion zum Ladenschlussgesetz nimmt zu.“
In der JU ist ein späterer Ladenschluss Beschlusslage, das wurde mal von einer Mehrheit so abgestimmt – aber nicht Konsens. JU-Landeschef Christian Doleschal steht inhaltlich dahinter, sagt er, überlässt die Initiative aber den Kreisverbänden. In der CSU-Fraktion ist noch offen, ob es Unterstützung geben wird, vielleicht von jüngeren Abgeordneten, vielleicht regional begrenzt. Aus Anhörungen mit Wirtschaftsverbänden wiederum heißt es, sie drängten nicht auf 22 Uhr.
Auch der Koalitionspartner Freie Wähler ist sich nicht ganz einig. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Fraktionschef Florian Streibl sind bei 22 Uhr vorsichtig. Der Münchner Abgeordnete Michael Piazolo indes ist schon seit Jahren für eine Liberalisierung. Das sei „sinnvoll, damit die Innenstädte nicht mehr und mehr veröden oder von den immer gleichen Läden dominiert werden“, sagt er. Zudem würden so Wettbewerbsnachteile auch gegenüber anderen Bundesländern ausgeglichen.
CD