KOMMENTARE

Macron und die letzte Chance

von Redaktion

Wahlen in Frankreich

Nach vier chaotischen Wochen können sich die Vernünftigen in Frankreich den Schweiß von der Stirn wischen: Auch wenn vorerst vieles im Unklaren bleibt, ist sicher, dass das Land künftig nicht vom extrem rechten Rassemblement National (RN) regiert wird. Was das Le-Pen-Lager wehleidig einen „gestohlenen Sieg“ nennt, ist in Wahrheit eine ziemlich deutliche Ansage der Wähler: Sie wollen Veränderung, aber nicht um den Preis tiefer Umwälzungen. Noch nicht jedenfalls. Das Votum ist eine signalrote Warnung: Einmal noch wuchtet sich die Republikanische Front gegen rechts auf. Aber vielleicht auch zum letzten Mal.

Der riskante Wahl-Poker, den Präsident Emmanuel Macron mit dem Verlust der eigenen Mehrheit bezahlte, verpflichtet ihn nun ganz besonders, unter den gegebenen Umständen für einigermaßen stabile Verhältnisse zu sorgen. Das dürfte denkbar knifflig werden. Das siegreiche Linksbündnis, das sich überraschend schnell zur politischen Not- und RN-Verhinderungsgemeinschaft zusammenfand, zeigt schon jetzt Risse. Überraschend ist das nicht, weil zwischen dem cholerischen Linkspopulisten, Deutschland-Verächter, Hamas-Entschuldiger Jean-Luc Mélenchon und den mittigen Sozialdemokraten viel Platz ist. Das Kunststück müsste jetzt darin bestehen, den vernünftigen, berechenbaren Kräften im Links-Lager möglichst viel Gewicht zu verleihen und Irrlichter wie Mélenchon auszubremsen. Frankreichs politische Kaste, die im Schmieden von Koalitionsregierungen nicht geübt ist, wird einiges dazulernen müssen. Unzumutbar ist das sicher nicht.

Etwas Gutes hat der Wahl-Poker: Die aufgewühlte Gesellschaft hatte nun einmal die Gelegenheit, sich Luft zu machen. Der künftig gestutzte Macron und eine neue, in ihrem politischen Gewicht aufgewertete Regierung werden drei Jahre Zeit haben, die These zu widerlegen, echte Veränderung gebe es nur mit Marine Le Pens Rassemblement. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen Präsident und Premier müssen dabei nichts Schlechtes sein, wenn der Wille zur Zusammenarbeit besteht. Ansonsten droht 2027 wirklich eine Präsidentin Le Pen. Marcus.Maeckler@ovb.net

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