Orbán auf „Friedensmission“, Teil drei

von Redaktion

Obwohl Peking unverändert zu Russland hält, lobt der ungarische Premier Chinas Rolle im Ukraine-Krieg

Überraschungsbesuch in Peking: Der ungarische Premier Viktor Orbán (li.) mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. © dpa

München – Das Sterben in der Ukraine geht weiter, daran ändert auch Viktor Orbáns sogenannte „Friedensmission“ nichts: Kaum hatte Ungarns Ministerpräsident am Montag Peking verlassen, nach Kiew und Moskau Stopp Nummer drei seiner angeblichen Reise für Frieden im Ukraine-Krieg, kamen aus dem bedrängten Land die neuesten Schreckensmeldungen.

Obwohl Russlands blutiger Angriffskrieg gegen die Ukraine also weiterläuft, steht Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping noch immer hinter Wladimir Putin. Peking gibt Russland seit dessen Einmarsch in die Ukraine nicht nur diplomatisch Rückendeckung, sondern sieht untätig auch dabei zu, wie chinesische Unternehmen sogenannte Dual-use-Güter in großem Stil nach Russland exportieren. Dazu gehören etwa Drohnen, Mikrochips und gepanzerte Fahrzeuge. Auch durch den Kauf von russischem Öl und Gas befeuert Peking die Kriegsmaschinerie des Kreml. „Russland würde es schwer haben, seinen Angriff auf die Ukraine ohne Chinas Unterstützung aufrechtzuerhalten“, sagt US-Außenminister Antony Blinken.

Für Viktor Orbán ist Xi trotz allem so etwas wie ein asiatischer Friedensfürst. „China ist die einzige Weltmacht, die sich von Anfang an zu Frieden bekannt hat“, behauptete er in Peking. Und im Interview mit „Bild” tönte der Ungar: „China hat einen Friedensplan. Amerika hat eine Kriegspolitik.“ Xi Jinping dürfte sich angesichts solcher Worte geschmeichelt fühlen. Beim Treffen mit Orbán säuselte der chinesische Präsident, er wolle die Partnerschaft mit Ungarn weiter ausbauen. „China hat sich auf seine Weise aktiv für den Frieden und die Förderung von Gesprächen eingesetzt und alle Bemühungen unterstützt, die zu einer friedlichen Lösung der Krise beitragen.“ Es sind altbekannte Behauptungen, den seit Jahren keine Taten folgen.

Konkrete Schritte kündigte Xi auch diesmal nicht an, von Wladimir Putins Seite scheint er keinen Zentimeter zu weichen. Warum auch, wenn die Allianz mit dem Kreml-Herrscher wirtschaftliche Vorteile bringt und von Europa kaum mehr als ein erhobener Zeigefinger zu erwarten ist, von Ungarn sogar Lob? Vor ein paar Wochen erst hatte Orbán den chinesischen Präsidenten mit Pomp in Budapest empfangen.

Dass ausgerechnet Orbán die chinesische Propaganda glauben will, ist kein Zufall: An einer Konfrontation mit Peking hat die Regierung in Budapest kein Interesse, denn China investiert seit Jahren massiv in dem Land. „Man kann sagen, dass Ungarn das letzte Land in der ganzen EU ist, das ganz offen freundlich gegenüber Chinas Regierung ist“, sagt Tamás Matura, Gründer des Central and Eastern European Center for Asian Studies und Professor an der Corvinus-Universität in Budapest, unserer Zeitung.

Orbáns „Friedensmission“ ist hochumstritten. Bereits in der vergangenen Woche war er – erstmals seit Kriegsbeginn – zu Wolodymyr Selenskyj nach Kiew gefahren und, zum Entsetzen viele europäischer Staats- und Regierungschefs, auch zu Wladimir Putin nach Moskau geflogen. Ungarn hatte am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, ein entsprechendes Logo und die EU-Flagge prangen seitdem auf all seinen Posts. Orbán sieht sich in Peking in offizieller Mission, dabei hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schon nach dem Putin-Treffen klargestellt: Orbán vertrete nicht die EU, sein Moskau-Besuch falle „ausschließlich in die bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Russland“. Selbiges gelte nun auch für seinen Peking-Trip, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin erklärte: „Die Reisetätigkeit, die wir im Augenblick sehen, das tut er als ungarischer Ministerpräsident.“

Orbán hatte seine China-Reise wohl wissend nicht angekündigt. Auch das Außenministerium in Peking erwähnte den Besuch aus Ungarn am Freitag in seiner Pressekonferenz mit keinem Wort, obwohl so ein Treffen in der Regel Wochen im Voraus geplant wird. „Ein Mangel an Transparenz war schon immer ein Hauptmerkmal der Regierung Orbán“, sagt Tamás Matura. Orbán habe wohl deshalb nichts gesagt, um „jeglichen Widerstand seitens der EU zu verhindern“.
SVEN HAUBERG

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