Rechtsaußen-Lager sortiert sich neu

von Redaktion

Künftig in einem Rechtsaußen-Team: Die Partei ANO des Tschechen Andrej Babis (l.), Herbert Kickls (M.) FPÖ und Viktor Orbáns Fidesz. © Tobias Steinmaurer/APA/dpa

Brüssel – Ungarns Fidesz-Abgeordnete fristeten in den vergangenen Jahren ein ziemlich einsames Dasein in Brüssel. Nach einem Zerwürfnis mit der Europäischen Volkspartei (EVP), der Fidesz lange Jahre angehörte, trat sie 2021 aus Partei und Fraktion aus und war seither im EU-Parament isoliert. Immer wieder gab es Spekulationen darüber, wem sich die Truppe von Viktor Orbán anschließen könnte. Damals schon sprach Ungarns Ministerpräsident von der Gründung einer neuen Rechten.

Jetzt, einen Monat nach der Europawahl, hat er seine Idee umgesetzt. „Patrioten für Europa“ heißt die neue Fraktion, die künftig drittstärkste Kraft im Parlament werden könnte. Die stärkste Kraft innerhalb der Fraktion ist allerdings nicht die Fidesz, sondern die französischen Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) mit 30 Abgeordneten. Ihr Vorsitzender Jordan Bardella soll Fraktionschef werden. Schon am Sonntag sagte er, man wolle mit der neuen Fraktion „das Kräfteverhältnis in Europa beeinflussen“.

Erst sah es so aus, als formiere sich ein kleines Grüppchen aus der Fidesz, Österreichs FPÖ und der Partei ANO aus Tschechien. Aber Orbáns Werben hat sich ausgezahlt. Mittlerweile gehören auch die italienische Lega, Vox aus Spanien, die portugiesische Chega, die Dänische Volkspartei, der belgische Vlaams Belang und die Partei für die Freiheit des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zur Fraktion, die mindestens 84 Abgeordnete umfassen wird. Die meisten von ihnen gehörten bislang der Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, die sich nun auflösen dürfte.

Die neue Fraktion hat im Parlament einen Sitz mehr als die zweite Rechtsaußen-Gruppe, die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) um die Partei der ultrarechten italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Dass Orbán sich nicht mit ihr zusammentat, ist bemerkenswert. Zuletzt hatte sich Meloni immer wieder als Vermittlerin zwischen ihm und Brüssel inszeniert.

Eine klare inhaltliche Grenze zwischen den beiden Fraktionen gibt es nicht, Unterschiede zwischen den Rechtsaußen-Parteien liegen etwa in der Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine.

Die AfD ist seit ihrem Rauswurf aus der ID kurz vor den Europawahlen fraktionslos. Jetzt hat die Parteispitze die Gründung einer weiteren Fraktion beschlossen. Wie die „Welt“ berichtet, sollen ihr 28 Abgeordnete aus neun Ländern angehören, 14 davon von der AfD. Spitzenkandidat Maximilian Krah soll demnach kein Teil der neuen Fraktion mit dem möglichen Namen „Europa Souveräner Nationen“ (ESN) sein.

Voraussichtliche Partner in diesem Rechtsbündnis sind demnach Reconquête aus Frankreich, Konfederacja aus Polen, Wasraschdane (Wiedergeburt) aus Bulgarien, Se Acabó La Fiesta aus Spanien, SPD aus Tschechien, Republika aus der Slowakei, Mi Hazánk Mozgalom aus Ungarn und die People and Justice Union aus Litauen.

Diese neue Fraktion dürfte im Parlamentsbetrieb allerdings im Schatten der „Patrioten für Europa“ stehen. Denn als drittstärkste Fraktion bekommt die große Rechtsfraktion längere Redezeiten, die Fraktionsgröße bestimmt zudem die Reihenfolge der Beiträge. Auf Grundlage der Gruppengröße wird außerdem die Besetzung der Ausschüsse festgelegt, auch könnte die Gruppe einen oder mehrere Vizepräsidenten des Parlaments stellen. Überdies bekommt jede Fraktion Geld für Mitarbeiter, Reise- und Bürokosten aus der Parlamentskasse, zusätzlich zu den Ausgaben der einzelnen Abgeordneten.

Von einer Mehrheit im Europaparlament sind die Rechtsaußen-Fraktionen aber selbst gemeinsam weit entfernt. Die meisten Gesetze dürften weiter von einer Mitte-Mehrheit aus der Europäischen Volkspartei (EVP) um CDU und CSU, Sozialdemokraten und Liberalen getragen werden. Auf eine solche Mehrheit setzt auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Mitte Juli für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden will. Wegen einiger Abweichler braucht sie allerdings auch Stimmen aus anderen Fraktionen.

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