Sommerliches Interview: Markus Söder im Gespräch mit Mike Schier (li.) und Christian Deutschländer in der Staatskanzlei.
Es gibt genügend Sparpotenzial: Markus Söder geht mit dem Haushalt der Ampel hart ins Gericht. Das Bürgergeld will er abschaffen. © Matthias Balk
Es sind höchst turbulente Zeiten. In den USA steht Donald Trump vor der Rückkehr, Frankreich versinkt im politischen Chaos, und auch in der EU gibt es nach der Europawahl ein Führungsvakuum. Ein Gespräch mit CSU-Chef Markus Söder über die Auswirkungen all dieser Entwicklungen auf die deutsche Politik.
Herr Ministerpräsident, wenn wir auf die Verbündeten blicken: Sind Sie nicht froh, dass in Berlin nach dem Etatkompromiss ein Regierungssturz abgewendet ist?
Was für ein Theater! Die Ampel hat sich noch einmal gerettet. Dabei ist es ja nur das absolute Minimum an Pflicht, einen Haushalt vorzulegen. Der Haushalt selbst ist ein Scheinkompromiss und eine Mogelpackung mit einer Reihe ungedeckter Schecks: Einnahmen werden höher eingeplant und Ausgaben niedriger angesetzt – und am Ende werden doch noch in diesem und im nächsten Jahr über 50 Milliarden Euro Schulden gemacht. Seriös ist das nicht.
Rechnen Sie noch mit vorgezogenen Neuwahlen?
Nein. Es ist der erkennbare Wille der Ampel, sich über die Zeit zu retten. Aber mehr kann man nicht mehr erwarten: Die Ampel ist eine Koma-Koalition, die höchstens noch bis zur Wahl hält. Eine Fortsetzung will selbst keine der Ampel-Parteien mehr.
In Frankreich könnte bald eine mit Radikalen durchsetzte linke Regierung den Ton angeben, die Positionen vertritt wie Sahra Wagenknecht. Ist das besser als Marine Le Pen?
Es ist besser, aber es ist trotzdem schlecht. Man muss jetzt aufpassen, dass sich auf der anderen Seite bei den extremen Linken nicht genauso Deutschland-Feindlichkeit durchsetzt, wie es bei Frau Le Pen gewesen wäre. Eine Regierung unter Beteiligung der radikalen Linken wäre extrem schädlich für das europäische Projekt und schwierig für die deutsch-französischen Beziehungen. Wahrscheinlich gibt es am Ende eine Art französische Ampel. Ich hoffe bloß, dass in Frankreich jetzt nicht eine grüne Ampelpolitik gemacht wird.
In Frankreich erodiert die politische Mitte. Bei uns geht es in eine ähnliche Richtung…
Emmanuel Macron hatte mit seiner Partei die politische Mitte aufgebrochen und erntet jetzt das Ergebnis mit der Spaltung des Landes. Letztlich sind Europa und Frankreich mit einem blauen Auge davongekommen, dank des französischen Wahlrechts. In Deutschland hätte das Ergebnis des ersten Wahlgangs ohne Stichwahlen gezählt – mit einem klaren Sieg für die Rechtsextremen.
Vergrößert das mit Blick auf die Wahlen in Ostdeutschland Ihre Sorgen?
Da bin ich vorsichtig optimistisch. Die Union ist die einzige Kraft, die wirtschaftlichen Erfolg und eine klare Linie in der Migration gewährleistet. Der Trend geht nach oben. Ich gehe fest davon aus, dass wir mit Michael Kretschmer in Sachsen und Mario Voigt in Thüringen zumindest zwei Ministerpräsidenten stellen können. Ich selbst bin in den Freistaaten im Wahlkampf viel im Einsatz, um zu helfen. Bayern, Sachsen und Thüringen sollten als Nachbarn wieder enger zusammenrücken.
Der Streit in der Ampel scheint nahtlos weiterzugehen. Der Verteidigungsminister warnt, der Haushalt werde der Bedrohungslage nicht gerecht.
Dieser Haushalt ist ein schlimmes Signal für die Sicherheit und Wehrfähigkeit Deutschlands. Boris Pistorius ist gerupft. Olaf Scholz hat den Minister hängen lassen, womöglich weil der beliebter ist als er selbst und ihm gefährlich werden könnte. Leider fehlt es nun überall an Geld: von einfachsten Materialien bis hin zu bewaffneten Drohnen. Das ist eine Absage der Zeitenwende. Deutschland fällt damit in der Nato wieder massiv zurück. Das gefällt Putin und spielt Trump in die Hände. Es gibt nur ein Wort dafür: verantwortungslos.
Sie plädieren für die SPD als Regierungspartner der Union im Bund, als gewissermaßen kleineres Übel. Wie wollen Sie mit Esken, Kühnert und Mützenich Ihre Pläne umsetzen?
Die Mehrzahl der Deutschen ist mit dem stark von den Grünen geprägten Ampel-Kurs nicht einverstanden. Und sollte sich die Union auf Schwarz-Grün festlegen, kommt die Union nie über 30 Prozent. Wir als CSU sind strikt dagegen. Die Grünen sollten wieder in die Opposition. Bei der zentralen Frage der Migration lässt sich im Übrigen mit der SPD mehr erreichen – das zeigt allein die Innenministerkonferenz, bei der nur Unions- und SPD-Minister dabei sind. Mit den Grünen gibt es dagegen keine wirksame Begrenzung der Zuwanderung, sondern eher das Gegenteil.
Lassen Sie uns doch ein paar Themen durchgehen: Ist es realistisch, an der Schuldenbremse festzuhalten?
Absolut. Es gibt genügend Sparpotenzial: Das Bürgergeld ist der größte Kostentreiber. Wir müssen es abschaffen und zu Hartz IV zurückkehren. Auch das milliardenschwere Heizgesetz hat den völlig falschen Ansatz. Wir als CSU stehen zur Schuldenbremse. Außerdem muss zuerst über etwas anderes geredet werden: den Länderfinanzausgleich. So geht es nicht weiter. Wir werden täglich von der Ampel aus Berlin benachteiligt und zahlen gleichzeitig immer mehr für Länder, die Schulden machen wollen. Dafür reiche ich nicht die Hand.
Würde eine Unionsregierung den Bürgergeld-Bezug für Ukrainer kippen?
Ja. Wir waren von Anfang an skeptisch.
Wollen Sie wehrpflichtige Ukrainer zurückschicken?
Wenn die Ukraine uns darum bittet.
Sie waren seit Kriegsausbruch nicht in der Ukraine. Warum eigentlich?
Soweit ich weiß, war noch kaum ein Ministerpräsident in der Ukraine, denn es ist in erster Linie eine Aufgabe der Bundesregierung. Nur Manuela Schwesig war da, vermutlich aus schlechtem Gewissen wegen ihrer Russland-Connection. Wir unterstützen die Ukraine sehr mit Geld und Sachmitteln und haben mehr Menschen aufgenommen als beispielsweise Frankreich.
Macron sagt, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine an Deutschland und der USA gescheitert sei. Wie stehen Sie dazu?
Jetzt mitten im Krieg eine Mitgliedschaft anzubieten, hieße, dass die Nato von diesem Moment an eine Beistandspflicht hätte. Damit wären wir Kriegspartei. Das lehnen wir klar ab.
Was halten Sie von einer EU-Mitgliedschaft?
Warten wir es ab. Bei aller verständlichen Unterstützung für die Ukraine gäbe es auch massive Herausforderungen für die EU und uns. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Ukraine nach dem Krieg entwickelt. Im Moment sollte die Unterstützung in der Krise Vorrang haben.
Wird es mit einer Unions-Regierung eine Wehrpflicht geben? Auch für Frauen?
Wir brauchen eine Wehrpflicht, um unser Land verteidigen zu können. Sollten sich die Bedrohungsszenarien so weiterentwickeln und die Amerikaner Donald Trump wählen, kommen wir gar nicht umhin, unsere Wehrfähigkeit massiv zu stärken. Wenn es eine Verfassungsmehrheit gibt, sollten wir auch über eine allgemeine Dienstpflicht reden. Das Modell, das Boris Pistorius vorgelegt hat, taugt leider nichts. Das ist wieder so eine Scheinmaßnahme: Wir fragen mal theoretisch nach, verpflichten uns aber zu gar nichts…
Zu Ihnen: Auffällig ist Ihre Präsenz im Fernsehen. Lanz, Inas Nacht und Welt.TV – geben Sie es zu: Sie führen doch etwas im Schilde!
Nein, auch dieses Interview folgt keinem Geheimplan. Da kann man keine Verschwörungstheorien entwickeln (lacht).
Merz und Wüst müssen also nicht nervös werden?
Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen die Ampel gemeinsam ablösen. Jede persönliche Ambition muss dem untergeordnet sein. Friedrich Merz und ich werden die K-Frage nach den Wahlen im Osten gemeinsam lösen. Wir beide wissen um unsere Verantwortung.
In der CSU zieht es außer Ihnen noch jemanden nach Berlin. Landtagspräsidentin Aigner kann sich eine Kandidatur fürs Amt der Bundespräsidentin vorstellen. Hat sie’s drauf?
Das Thema steht nun wirklich nicht auf der Tagesordnung. Die Neubesetzung steht 2027 an. Wir müssen jetzt die Probleme des Landes lösen und nicht über Posten der Zukunft spekulieren.