Das Nato-Jubiläum in Washington ist eine Feierlichkeit mit depressiver Note. Beispielhaft dafür steht die Erleichterung darüber, dass der 81-jährige Gastgeber Joe Biden seine Rede fehlerfrei vom Teleprompter ablesen konnte. Viele seiner Gäste denken dabei vor allem an eines: Die Halsstarrigkeit dieses US-Präsidenten, der auch mit 86 noch regieren will, droht einen Mann an die Macht zu spülen, der die Nato zertrümmern könnte. Wohl kaum in dem Sinn, dass die USA die Nato wirklich verlassen werden.
Aber Donald Trump wird sich nach seiner immer wahrscheinlicher werdenden Wiederwahl nicht mehr damit zufrieden geben, wie in seiner ersten Amtszeit die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels von den Nato-Partnern zu fordern.
Ein Szenario ist, dass Trump sich den Fortbestand des nuklearen Schutzschirms über Europa mit totalem konventionellen Rückzug erkaufen wird. Sprich: Vor allem Deutschland würde viel, viel mehr Geld in die konventionelle Verteidigung stecken müssen – und das in Zeiten zunehmend leerer Kassen, wo das Geld für Renten, Wirtschaftsankurbelung oder für das Gesundheitssystem auch anderswo dringend gebraucht wird.
Dieses Jubiläum ist eine Abschiedsfeier von der Nachkriegs-Weltordnung. Aber auch in der neuen Zeit mit seinen aggressiven Autokraten wird die Nato dringend gebraucht. Die Entscheidung, noch im Sommer F-16-Kampfjets an die Ukraine zu liefern, beweist: Die 75-jährige Jubilarin ist immer noch agil. Die Debatten, ob die Nato nicht überflüssig geworden sei, führt in diesem Jubiläumsjahr keiner mehr. Klaus.Rimpel@ovb.net