Er steht im Rampenlicht, auf jedes Zucken, jedes Gähnen, jede Geste wird genau geachtet: Joe Biden beim Nato-Gipfel in Washington. © SAUL LOEB/afp
Washington – Da werden Erinnerungen an den Kalten Krieg wach: Die USA wollen wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Wie das Weiße Haus und die Bundesregierung am Rande des Nato-Gipfels in Washington bekannt gaben, sollen ab 2026 Tomahawk-Marschflugkörper (gut 2000 Kilometer Reichweite) sowei Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neue Überschallwaffen von Deutschland aus für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen. Die Systeme hätten eine „deutlich weitere Reichweite als gegenwärtige landgestützte Systeme in Europa“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Sie sollen zunächst zeitweise in Deutschland stationiert werden, später permanent.
Der Beginn der geplanten Stationierung liegt aber mehr als ein Jahr nach der US-Präsidentenwahl. Die Entscheidung könnte also rückgängig gemacht werden, falls Donald Trump die Wahl gewinnt. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte der Republikaner eine Reduzierung der US-Militärpräsenz in Deutschland eingeleitet, die unter Präsidenten Joe Biden gestoppt wurde.
Marschflugkörper wie auch das deutsche Waffensystem Taurus können im Tiefflug weit in gegnerisches Gebiet eindringen und wichtige Ziele zerstören. Dazu können Kommandostellen, Bunker und Radaranlagen gehören.
Die Entscheidung kam überraschend. Zuvor hatten die Nato-Staaten der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert. Der Transfer von F-16-Jets sei bereits im Gange, kündigten die USA, die Niederlande und Dänemark gemeinsam an. Damit könnten die Maschinen noch diesem Sommer zur Abwehr des russischen Angriffskrieges zum Einsatz kommen. Die Nato sichert der von Russland angegriffenen Ukraine zudem zu, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann. In dem Text für die Abschlusserklärung wird der Pfad zur Mitgliedschaft als „irreversibel“ bezeichnet.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte der Ukraine unterdessen weitere Hilfe in Aussicht und bezeichnete die bisherige Unterstützung für das Land mit Luftverteidigungssystemen als „großen Schritt“. „Aus meiner Sicht ist dieser Prozess nicht abgeschlossen“, sagte Scholz.
Die USA, Deutschland und weitere Verbündete hatten der Ukraine zum Auftakt des Gipfels weitere Unterstützung zur Abwehr russischer Luftangriffe zugesagt. Die Ukraine hatte bereits im April sieben zusätzliche Patriot-Systeme gefordert, Deutschland hat drei davon bereits geliefert und darauf gesetzt, dass andere Nato-Staaten folgen. Scholz sicherte den Verbündeten zu, dass Deutschland seiner Verantwortung als größte europäische Volkswirtschaft auch in schwierigen Zeiten nachkommen werde. „Daraus erwächst uns eine ganz besondere Verantwortung“, sagte er. „Und das kann ich hier ganz klar und deutlich sagen: Wir werden, ich werde dieser Verantwortung gerecht werden.“
Der Text für die Abschlusserklärung ist ein Kompromiss, der die unterschiedlichen Positionen im Bündnis zum Nato-Beitrittsprozess abbildet. Die Nato-Perspektive für die Ukraine ist innerhalb der Allianz seit langem ein Streitthema. Die USA und Deutschland lehnen eine schnelle formelle Einladung zum Beitritt ab. Etliche andere Alliierte sind dafür.
Im Text wird der Ukraine zudem zugesichert, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden Euro erhält. Der Betrag wurde auch in den vergangenen Jahren mobilisiert. Die Zusage bleibt deutlich hinter dem zurück, was der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gefordert hatte.
Bei der Lieferung geht es nun um F-16-Jets aus amerikanischer Produktion, die von Dänemark und den Niederlanden bereitgestellt werden. Details gelten als vertraulich. Die Ausbildung ukrainischer Piloten und Bodenmannschaften für diesen Flugzeugtyp läuft seit Monaten. Die Jets sollen vor allem die ungehinderten Bombenabwürfe russischer Flugzeuge unterbinden.
US-Präsident Joe Biden, der nach seinem verpatzten TV-Duell unter besonderer Beobachtung steht, brachte seinen Auftritt in Washington fehlerfrei über die Bühne, allerdings mithilfe eines Teleprompters. Der Demokrat, der in diesem Jahr Gipfel-Gastgeber ist, kämpft derzeit an allen Fronten darum, seine Kandidatur für November zu retten.