„Die Welt wird immer gefährlicher“

von Redaktion

Die Entscheidung, US-Raketen zu stationieren, ist in der Ampel umstritten, von der Union kommt Zustimmung

Auch „Tomahawk“-Raketen mit einer Reichweite von über 2000 Kilometern sollen in Deutschland stationiert werden. © dpa/Moll

Berlin – Die deutsch-amerikanische Vereinbarung zur Stationierung von US-Langstreckenraketen hat in Deutschland Sorgen vor einem neuen Wettrüsten geweckt. SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner kritisierte die Entwicklung als gefährlich. Die Grünen warfen Bundeskanzler Olaf Scholz vor, die Entscheidung nicht ausreichend verständlich zu erklären. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) begrüßte die Stationierungspläne hingegen: Die US-Waffen könnten eine „ernst zu nehmende Fähigkeitslücke in Europa“ schließen.

Deutschland und die USA hatten am Mittwochabend gemeinsam verkündet, dass die US-Armee – nach mehr als 20 Jahren Pause – ab 2026 wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren will, zur besseren Abschreckung gegen Russland. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Stegner reagierte in den Funke-Zeitungen mit Sorge: „Das alles führt wieder zu einem Wettrüsten“, sagte Stegner. „Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird.“

Verteidigungsexpertinnen der Grünen kritisierten, dass Kanzler Scholz eine so weitreichende Entscheidung wie die Raketenstationierung nicht öffentlich begründet habe. Die fehlende Klarheit „kann Ängste verstärken und lässt Raum für Desinformation und Verhetzung“, sagte die Abgeordnete Sara Nanni der „Rheinischen Post“. Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger sagte den Funke-Zeitungen: „Einmal mehr kann ich die Sprachlosigkeit des Kanzlers nicht verstehen.“ Sie fügte hinzu: „Wer so eine gewichtige Entscheidung trifft, muss sie auch erklären und einordnen.“ Inhaltlich unterstützte Brugger die Entscheidung: „Den Drohungen und der Brutalität von Wladimir Putin begegnet man am besten mit Stärke, Zusammenhalt und Schutz.“

Die Stationierung der US-Raketen soll nach Regierungsangaben nur vorübergehend erfolgen – bis Deutschland und die europäischen Verbündeten selbst derartige Waffen herstellen und stationieren. Deutschland und Frankreich haben bereits die Entwicklung einer gemeinsamen Langstreckenrakete vereinbart, andere Länder sollen sich beteiligen.

Pistorius sagte im Deutschlandfunk, mit der Stationierung sei „ganz klar die Erwartung der USA verbunden, dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen“. Die US-Raketen seien als eine Art Überbrückung gedacht bis zur Entwicklung eigener Fähigkeiten: „Diese temporäre Stationierung ab nächstes Jahr wird uns genau die Zeit dafür geben, die wir dafür brauchen.“ Auch FDP-Europapolitikerin und Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßte die Entscheidung: „Das ist strategisch für das Bündnis von enormer Bedeutung“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Deutschland sei „die zentrale Drehscheibe Europas“.

Zustimmung kam auch von der Union. „Die Langstreckenwaffen werden einen wichtigen Beitrag zur langfristigen und glaubhaften Abschreckung leisten“, erklärte Außenexperte Johann Wadephul.

Scharfe Kritik äußerten die Oppositionsparteien AfD, BSW und Linke. „Die Stationierung macht Deutschland zur Zielscheibe“, erklärte AfD-Chef Tino Chrupalla. Scholz lasse zu, „dass Deutschlands Verhältnis zu Russland dauerhaft beschädigt wird“. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sagte dem „Spiegel“: „Die Stationierung zusätzlicher Angriffsraketen auf deutschem Boden verbessert unsere Sicherheit nicht, sondern erhöht im Gegenteil die Gefahr, dass Deutschland selbst zum Kriegsschauplatz wird.“ Dietmar Bartsch (Linke) mahnte, die Aufrüstungsspirale werde weitergedreht.

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