US-Raketen für Deutschland: Der Kalte Krieg ist zurück

von Redaktion

Russland wirft der Nato wegen der Ankündigung neuer Langstreckenwaffen in Deutschland eine Eskalation vor

Ernste Mienen beim Gipfel: Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. © afp/Corum

Washington – Der entschlossenste Schritt des Nato-Gipfels von Washington ist nahezu geräuschlos – und doch sicherheitspolitisch ein Knall: Wegen der Bedrohung durch Russland werden die USA in Deutschland von 2026 an wieder Waffensysteme stationieren, die weit bis nach Russland reichen. Darunter sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Hyperschallwaffen, die weiter reichen sollen als bislang stationierte Landsysteme.

Diese „fortschrittlichen Fähigkeiten“ würden das Engagement der USA für die Nato und ihren Beitrag zur gemeinsamen europäischen Abschreckung demonstrieren, teilten die USA und Deutschland am Rande des Gipfels in nur drei Sätzen mit.

Russland warf der Nato eine Eskalation vor. „Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Nun soll die russische Atomdoktrin überarbeitet werden. Auch China ist erbost: Nach Kritik der Nato an der Rolle der asiatischen Großmacht im Ukraine-Krieg kam aus Peking die Antwort, die Nato-Äußerungen seien voll von Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen.

Zum 75. Geburtstag der Nato ist der Kalte Krieg zurück: Das Bündnis verstärkt die militärische Absicherung Europas, weil die russische Führung den Ukraine-Krieg nicht beenden will und Maßnahmen der gegenseitigen Rüstungskontrolle aufgekündigt worden sind. Mehr noch: Die Anzeichen für eine neue Blockbildung verstärken sich, wobei die USA und Europa auf der einen Seite und Länder wie China, Russland, Nordkorea und der Iran auf der anderen Seite um Einfluss ringen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach gestern wörtlich von einem Schritt „in Richtung Kalter Krieg“.

Die Nato versucht dem Eindruck entgegenzuwirken, sie sei vom Krieg ermüdet und entzweit. Beim Gipfel wird hinter den Kulissen zwar großer Unmut darüber geäußert, dass Ungarns Premier Viktor Orbán jüngst für eine unabgesprochene „Friedensmission“ nach Moskau und Peking reiste. Nach Außen hin wird die Aktion aber als Privatsache abgetan, wenngleich Außenministerin Annalena Baerbock gestern Irritationen wegen des geplanten Besuchs Orbáns bei Donald Trump einräumte.

Olaf Scholz tritt betont selbstbewusst auf und macht klar, dass Deutschland auch in schwierigen Zeiten seiner Verantwortung nachkommen wolle. „Deutschland ist das größte Land in Europa innerhalb des Nato-Bündnisses. Daraus erwächst uns eine ganz besondere Verantwortung“, sagt er. „Und das kann ich hier ganz klar und deutlich sagen: Wir werden, ich werde dieser Verantwortung gerecht werden.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte erneut die Aufhebung aller Auflagen für den Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Staatsgebiet. Es gehe vor allem um Militärstützpunkte im russischen Hinterland, von denen Raketenangriffe wie am Montag auf Kiew ausgehen. „Wenn sie uns angegriffen und unsere Kinder getötet haben, ist es verrückt zu fragen, warum wir diese Militärbasis nicht angreifen dürfen“, sagte Selenskyj.

Artikel 2 von 11