Eigentlich hat Annalena Baerbock nur das gesagt, was alle schon wussten: Sie wird bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht als Kanzlerkandidatin für die Grünen ins Rennen gehen. Nach der – trotz glänzender Voraussetzungen – missglückten Kampagne 2021 hatte sie innerparteilich ohnehin eine schwierige Ausgangsposition. Zudem setzt sie ein politisches Naturgesetz außer Kraft, wonach Außenminister immer zu den beliebtesten Politikern im Land gehören. Baerbock aber liegt auf den hinteren Plätzen, was sicher nicht nur an der schwierigen Weltlage, sondern auch an ihrer „feministischen Außenpolitik“ liegt. Die Ministerin, fleißig in der Welt unterwegs, produzierte mehr schöne Bilder als diplomatische Durchbrüche. Dass sie ihre innenpolitische Botschaft nun via CNN am Rande des Nato-Gipfels verkündete, zeigt, in welchen Sphären sie sich sieht.
Nun läuft also alles auf Robert Habeck hinaus. Der Wirtschaftsminister war zuletzt sichtlich darum bemüht, sich als mittiger Oberrealo zu präsentieren. Er wird – nicht zu Unrecht – argumentieren, dass die nach dem Aus fürs russische Gas an die Wand gemalten Horrorszenarien mit Blackouts nicht eingetreten sind. Auch die Inflation wurde wieder auf ein erträgliches Maß reduziert. Doch man darf bezweifeln, ob er das Desaster ums Heizungsgesetz jemals loswerden wird. Und im Bundestag hat eben ein Untersuchungsausschuss zum AKW-Ausstieg die Arbeit aufgenommen. Die Union dürfte ihn nun endgültig für ihren Anti-Habeck-Wahlkampf nutzen.
Immerhin: Durch Baerbocks Entscheidung bleibt den Grünen ein Machtkampf erspart, der ihr Ansehen weiter belastet hätte. Der linke Parteiflügel hat ohnehin niemanden, der Habeck herausfordern könnte. In dieser parteiinternen Ruhe liegt die einzige Chance, falls sich Union und SPD noch über den K-Fragen entzweien sollten. Ehrlicher wäre aber, Habeck würde nur als „Spitzenkandidat“ ins Rennen ziehen. 14 Monate vor der Wahl scheint das Kanzleramt unerreichbar. Mike.Schier@ovb.net