Einer der führenden deutschen Rüstungsmanager: Armin Papperger (M.) mit Verteidigungsminister Boris Pistorius in einer Produktionshalle des Rüstungskonzerns Rheinmetall. © Schulze/dpa
München – Die Feuerwehr im niedersächsischen Hermannsburg rückte am 29. April um 4.16 Uhr aus, um ein Gartenhaus vor den Flammen zu retten. Der scheinbar alltägliche Vorfall hatte eine brisante politische Note, denn der Besitzer der Laube ist Rheinmetall-Geschäftsführer Armin Papperger. Es war ein Brandanschlag. Rasch kam ein Bekennerschreiben aus der linksextremistischen Szene. Gefordert wurde unter anderem die Freilassung der inhaftierten RAF-Terroristin Daniela Klette.
Drei Monate später drehen sich die Schlagzeilen wieder um Armin Papperger. Diesmal scheint die Gefahr wesentlich größer: Mehreren Medienberichten zufolge sollen russische Agenten einen Mordanschlag auf den Rüstungsmanager geplant haben. Laut „CNN“ deckten US-Geheimdienste die Pläne der russischen Regierung Anfang des Jahres auf und informierten danach die deutsche Seite. Der Sender beruft sich auf fünf Quellen in verschiedenen Behörden des Nato-Bündnisses. Verdächtige aus unterschiedlichen Ländern der ehemaligen Sowjetunion hätten sich sowohl in der Nähe der Düsseldorfer Konzernzentrale als auch an Reisezielen von Papperger im Ausland aufgehalten, berichtete auch der „Spiegel“. Seitdem steht der 61-Jährige unter massivem Polizeischutz.
Der Kreml dementiert die Berichte natürlich. Im Westen gibt es keine offizielle Bestätigung. Öffentliche Stellen sind in solchen Fällen immer sehr zurückhaltend. Auch das Unternehmen äußert sich nicht. Rheinmetall ist einer der größten europäischen Lieferanten für Panzertechnik und Artilleriegeschosse für die Ukraine, im Juni wurde eine Reparaturwerkstatt für Schützenpanzer in der Westukraine eröffnet. Während andere Rüstungsmanager das Rampenlicht meiden, begibt sich Papperger immer wieder in die Öffentlichkeit. In einem großen Interview mit der „FAZ“ sagte er am Freitag, der Krieg könne „noch ewig“ dauern. „Russland hat seine Industrie komplett auf Kriegswirtschaft umgestellt.“ Pappergers Rüstungskonzern verbucht enormes Wachstum. „Wir bauen jetzt ganz massiv die Munitionsfertigung aus“, sagt er. „Wir verdoppeln unser Werk im bayerischen Aschau für Pulverfertigung.“
Je länger der Krieg dauert, desto umfangreicher scheinen auch die russischen Geheimdienstaktivitäten in Europa zu werden. „Wir sehen Sabotage, wir sehen Mordanschläge, wir sehen Brandstiftung. Wir sehen Dinge, die Menschenleben kosten“, zitiert „CNN“ einen hochrangigen Nato-Mitarbeiter. Man erlebe „eine Kampagne verdeckter Sabotageaktivitäten aus Russland mit strategischen Konsequenzen“. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Rande des Nato-Gipfels in Washington, Russland führe einen hybriden Angriffskrieg. Es habe auch Anschläge auf Menschen auf europäischem Staatsgebiet gegeben sowie auf Fabriken.
Die Welt der Geheimdienste ist keine, in der sich die Wahrheit leicht finden lässt. So ist es auch beim Brand am 3. Mai beim Diehl-Konzern, der über die Sparte „Diehl Defence“ auch Waffen für die Ukraine liefert – unter anderem Flugabwehrsysteme des Typs IRIS-T. Das Unternehmen teilte später mit, am betroffenen Standort in Berlin-Lichterfelde seien nur Autoteile hergestellt worden. Ursache für den Brand sei ein technischer Defekt. Dennoch halten sich Spekulationen, das Feuer sei Ergebnis russischer Sabotage. Sowohl „Bild“ als auch das amerikanische „Wall Street Journal“ (WSJ) berichteten mit Verweis auf Sicherheitskreise auf Ermittlungen, der „technische Defekt“ sei absichtlich hergestellt worden. Laut WSJ setze Russland häufig Kriminelle ein, die gezielt über Sozialen Netzwerke wie Telegram angeworben würden. Auch „CNN“ berichtet nun, dass Russland oftmals örtliche Amateure anheuere, um Sabotageakte auszuführen.
Im jüngsten Verfassungsschutzbericht des bayerischen Innenministeriums ist von „unmittelbar kriegsrelevanten russischen Spionageoperationen“ im Freistaat die Rede. Offenbar ging es dabei um Militäreinrichtungen, in denen ukrainische Soldaten geschult wurden. Im April 2022 hatte Deutschland 40 „Diplomaten“ ausgewiesen, bei denen es sich in Wahrheit um Angehörige russischer Nachrichtendienste gehandelt haben soll.
Der Fall Papperger ruft auch Erinnerungen an den Tiergartenmord in Berlin wach. Im Dezember 2021 sprach das dortige Kammergericht bei seiner Urteilsverkündung von „Staatsterrorismus“. Das Opfer war ein Georgier tschetschenischer Abstammung, der im Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft hatte. Im August 2019 wurde er in einer Berliner Parkanlage erschossen. Der Täter, ein Russe, bekam lebenslang. Auch damals wurden zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft zu „unerwünschten Personen“ erklärt.