Ja, über die Bahn ist gut lästern. Und ja, es lief bei der EM nicht rund. „Deutsche Bahn ist so im Oarsch“, skandierten österreichische Fans. Aus Protest gegen den maroden Zustand der Strecke setzte ein Güterzug-Betreiber jüngst in Thüringen Dampfloks ein. Dampfloks! Es ist traurig und ein bisschen blamabel. Aber ist es irgendwie hilfreich, wenn der politisch Verantwortliche in den hämischen Chor einstimmt? Nein, ist es nicht. Aufgabe von Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist es, die Bahn zurück auf die Erfolgsspur zu setzen. Mit Bahn-Bashing wird‘s nicht besser, Wissing sollte es sich lieber verkneifen.
Leider ist der Minister ja als Kämpfer für die Bahn selbst oft nur halbherzig unterwegs. Die Gerechtigkeit verbietet hier Schwarz-Weiß-Malerei. Es gibt Erfolge einer Ampel-Bahnpolitik. Das Deutschlandticket gehört ebenso dazu wie die Sanierung von Hochleistungs-Gleiskorridoren, die am Montag startet. Aber trotz aller Bemühungen ist noch kein Umkehrschwung erkennbar. Die Zahlen zeigen, dass die Infrastruktur in Summe bisher noch schneller verrottet, als sie saniert wird. Es muss leider mehr Geld in die Schiene investiert werden, ja, noch mehr Geld! So eine Art Marshallplan für die Bahn, der dann auch den ländlichen Raum umfasst und nicht nur Hauptstrecken. Vielleicht gehört auch eine Reform des zentralistischen DB-Konzerns dazu – sicher nicht zuerst der Austausch des DB-Chefs, wie es die CSU jüngst mit der Gier nach billigem Applaus forderte. Bezahlbarer und verlässlicher Bahnverkehr ist Daseinsvorsorge, Kernaufgabe staatlichen Handelns, nicht ein „nice to have“. Darauf müssen sich endlich alle besinnen. Dirk.Walter@ovb.net