Nato-Gipfel: Biden redet sich ins Aus

von Redaktion

Zum Abschluss des Nato-Gipfels in Washington unterlaufen US-Präsident Joe Biden erneut peinliche Versprecher

Biden mit Putin, äh: Selenskyj: Dem US-Präsidenten unterlaufen zum Abschluss des Nato-Gipfels erneut peinliche Fehler. Wie lange geht das noch gut? © Brendan Smialowski/AFP

Washington – In diesem schmerzhaften Moment muss Joe Biden dankbar sein, dass sein Nebenmann so gelassen reagiert. Der US-Präsident hat gerade eine kurze Ansprache vom Teleprompter abgelesen und kündigt jetzt einen Mann an, der „ebenso viel Mut wie Entschlossenheit hat“. Biden meint den ukrainischen Präsidenten, aber er sagt: „Meine Damen und Herren, Präsident Putin.“ Das Publikum klatscht und das vielleicht nur, um die Situation nicht noch unangenehmer zu machen. Denn selbstverständlich steht da nicht Wladimir Putin auf der Nato-Bühne, sondern Wolodymyr Selenskyj.

Hinter Biden sind Staats- und Regierungschefs anderer Nato-Staaten aufgereiht, ihre Reaktionen sprechen Bände. Kanzler Olaf Scholz schaut perplex, EU-Ratspräsident Charles Michel schielt ungläubig zur Seite. Andere klatschen verkrampft. Dass Biden seinen Fehler noch bemerkt, hilft nur mäßig. Immerhin: Selenskyj, sicher der letzte, der mit dem Kreml-Chef verwechselt werden möchte, reagiert gelassen. „Ich bin besser“, sagt er und schüttelt Biden die Hand. Der sagt noch: „Verdammt viel besser.“

Wieder ein Biden-Patzer, ausgerechnet dieser. Und: Es bleibt nicht der einzige Versprecher. Bei der darauf folgenden Pressekonferenz, dem ersten freien Solo-Auftritt des Präsidenten seit der verunglückten TV-Debatte mit dem Republikaner Donald Trump, bezeichnet der 81-Jährige auch noch seine Stellvertreterin Kamala Harris als „Vizepräsident Trump“ – diesmal, ohne es zu merken.

Ist dieser Mann fit für eine zweite Amtszeit? Die Debatte darüber wird seit Tagen aufgeregt geführt – und mit seinen Auftritten am Donnerstag scheint sich Biden eher keinen Gefallen getan zu haben.

Dennoch hält er an seiner Kandidatur fest: Er sei die dafür „am besten qualifizierte Person“ und entschlossen, zu kandidieren, sagt der Präsident bei der Pressekonferenz. Die Fragen drehen sich vor allem um seine Gesundheit. So bestreitet er, dass für ihn um 20 Uhr die Bettzeit anstehe – wenngleich er nach dem Duell mit Trump vor zwei Wochen selbst angekündigt hatte, dass er künftig Veranstaltungen nach 20 Uhr meiden wolle. Zum 75-jährigen Bestehen des Nato-Gipfels will Biden eine starke Figur abgeben und sich als ein entschlossener Anführer der westlichen Welt präsentieren.

Immerhin: Über die dreitägige Veranstaltung hinweg zeigte er sich relativ fokussiert und es unterliefen ihm – bis auf die Versprecher zum Abschluss – keine größeren Patzer. Ein insgesamt gutes Zeugnis für den Präsidenten, obwohl er bei der Pressekonferenz stellenweise nicht auf der Höhe wirkte.

Wie um seine Fitness zu belegen, zitiert Biden auch die Nato-Partner in dieser Sache: „Ich höre keinen von den europäischen Verbündeten sagen: Joe, tritt nicht an. Ich höre sie sagen: Wenn Du nicht gewinnst, wird es ein Desaster.“ Olaf Scholz stützt Biden öffentlich. „Versprecher passieren, und wenn man alle immer genug beobachtet, findet man auch genug“, sagt der Bundeskanzler. „Es wäre ein großer Fehler, den Präsidenten zu unterschätzen“, fügt er pflichtschuldig an. „Seine Führung war sehr wichtig in den vergangenen Jahren und Monaten.“

Doch die Unterstützung für Biden in den eigenen Reihen bröckelt. Nach der Pressekonferenz fordern drei weitere Kongressmitglieder der Demokraten seinen Verzicht auf die Kandidatur – insgesamt sind es jetzt rund 20. Viele Abgeordnete fürchten, dass der fehlende Rückhalt für Biden auch sie die Wiederwahl kosten könnte. Der Chef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, äußert eine Reihe von Sorgen noch am Donnerstag bei einem persönlichen Gespräch mit Biden. In einem Brief an seine Kollegen schreibt er über das Treffen. Von Unterstützung für den Präsidenten ist darin nicht die Rede.

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