Israel tötet Hamas-Drahtzieher

von Redaktion

Viele zivile Opfer: Palästinenser tragen am Samstag eine Leiche von einem Ort, der von einem israelischen Bombardement getroffen wurde. © Foto: Alshrafi/dpa

Tel Aviv/Gaza – Nach einem israelischen Luftangriff auf den Militärchef der Hamas mit zahlreichen Toten weist UN-Vertreter Scott Anderson auf das Leid palästinensischer Zivilisten und die Not in Krankenhäusern hin. Der Direktor des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge in Gaza sprach von einigen der schrecklichsten Szenen, die er in den vergangenen neun Monaten gesehen habe. In dem Krankenhaus von Chan Junis, das er besucht habe, gebe es nicht genügend Betten, viele Patienten würden auf dem Boden und ohne ausreichende Desinfektionsmöglichkeiten behandelt, sagte Anderson. „Die Luft war voller Blutgeruch.“

Verzweifelte Eltern hätten ihm gesagt, dass sie in die humanitäre Zone gezogen seien in der Hoffnung, dass ihre Kinder dort sicher wären, sagte Anderson. Er forderte dazu auf, Zivilisten jederzeit zu schützen. Eine Waffenruhe sei dringend notwendig, und die im Gazastreifen verbliebenen Geiseln müssten freigelassen werden.

Die israelische Armee hatte am Samstag im Gazastreifen den Anführer des militärischen Arms der Hamas, Mohammed Deif, angegriffen und dabei Dutzende andere Menschen getötet. Ob auch Deif bei dem Luftangriff getötet oder verletzt wurde, blieb ungewiss. Ein Hamas-Vertreter in Beirut bestritt am Sonntag, dass Deif getötet worden sei. „Mohammed Deif geht es gut, und er befiehlt weiterhin den Widerstand gegen den israelischen Feind“, sagte der Hamas-Funktionär Ali Barakeh in Beirut.

Deif ist der Chef der Kassam-Brigaden und Stellvertreter des Gaza-Chefs der Hamas, Jihia al-Sinwar. Israel hat sich als ein Ziel im Gaza-Krieg gesetzt, Sinwar und Deif gefangenzunehmen oder zu töten. Der 58-Jährige wird oft das „Phantom“ genannt. Die israelische Zeitung „Haaretz“ bezeichnete ihn als „wandelnden Geist“, der mindestens sieben israelische Anschläge überlebt habe. Deif gilt als einer der von Israel meistgesuchten Terroristen. Seit den 1990er-Jahren kämpft er in den Reihen der Hamas. Bis vor gut einem halben Jahr ging man in Israel davon aus, dass Deif mehrere Gliedmaßen verloren und eine Vielzahl körperlicher Behinderungen hat. Bis schließlich Aufnahmen auftauchten, die Deif mit beiden Armen und beiden Beinen zeigten.

Dem israelischen Militär zufolge starb aber Rafa Salama, der als einer der engsten Mitarbeiter Deifs beschrieben wurde. Seit 2016 habe er die Chan-Junis-Brigade befehligt, benannt nach der gleichnamigen Stadt im südlichen Gazastreifen. In dieser Eigenschaft sei er verantwortlich gewesen für die Raketenangriffe, die die Hamas in all den Jahren von Chan Junis aus auf Israel durchführte. Seine Ausschaltung würde die militärischen Fähigkeiten der Hamas ernsthaft beeinträchtigen, so die Armee. Sowohl Deif als auch Salama gelten als Drahtzieher und Planer des Massakers vom 7. Oktober.

Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem israelischen Militäreinsatz mindestens 90 Menschen getötet. Mindestens 300 weitere Menschen seien zudem in der humanitären Zone Al-Mawasi verletzt worden, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Zudem erklärte die Hamas, sich aus den Verhandlungen über eine Feuerpause und die Geiselfreilassung im Gazastreifen vorerst zurückzuziehen. Hamas-Politbürochef Ismail Hanija habe die Vermittler Katar und Ägypten über die Entscheidung informiert, dass die Verhandlungen „aufgrund der mangelnden Ernsthaftigkeit“ Israels und der „Massaker an unbewaffneten Zivilisten“ abgebrochen würden, erklärte ein ranghoher Hamas-Vertreter. Zuvor hatte ein Vertreter des politischen Flügels der Hamas dementiert, dass die indirekten Verhandlungen mit Israel abgebrochen würden.

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