Das war‘s: Ulrike Müller im EU-Parlament. © IMAGO
München/Brüssel – Wenn sich heute das EU-Parlament konstituiert, ist Ulrike Müller einen Job los. Und eine Sorge. Die Abgeordnete der Freien Wähler hat ab dann kein Doppelmandat in Brüssel und Straßburg mehr. Nur noch ein einfaches. Und die Welle an Kritik, mit der sie seit Monaten konfrontiert ist, dürfte allmählich abebben.
Seit der Landtagswahl im Herbst 2023 lebte Müller, 61, nämlich in zwei Welten, mindestens. Sie hatte ihr Mandat im Europaparlament einfach nicht zurückgegeben, aber gleichzeitig ein Mandat im Landtag angenommen. Zwei Parlamente in über 600 Kilometer Entfernung – die Öffentlichkeit und die politischen Mitbewerber waren hin- und hergerissen, ob das besonderer Fleiß ist, Abzocke oder grandiose Selbstüberschätzung. Aus der CSU hagelte es wochenlang scharfe Kritik: So „verhöhne“ sie ihre Wähler und greife doppelt Bezüge ab.
Die Realität ist komplexer. Zumindest Müllers Diäten (nicht die Aufwandspauschalen) wurden gegeneinander angerechnet, im Ergebnis die 9200 Euro aus dem Landtag gestrichen. In der Summe sparte der Steuerzahler also ein paar zehntausend Euro für einen Nachrücker, der wahrscheinlich im Brüsseler Labyrinth erstmal Wochen gebraucht hätte, um Büros, Klo und Kantine zu finden. Müller konnte anfangs gut argumentieren, warum sie sich zwei Vollzeit-Jobs antut. „Ich habe mir genau überlegt, ob ich das schaffen kann oder nicht“, sagte sie unserer Zeitung Ende 2023. Sie wolle die wichtigsten EU-Vorhaben unbedingt noch selbst abschließen, etwa im Klima- und Agrarbereich. Montag und Donnerstag wollte sie in Europa sein, Dienstag und Mittwoch im Landtag. Dazwischen rastlos pendeln, Flug und Zug.
Faulheit sagten der quirligen, kommunikativen Politikerin bis dato selbst hartleibige Kritiker nicht nach. Offenkundig wuchs ihr die Belastung aber dann doch über den Kopf. Denn zu allem Überfluss übernahm sie im Landtag auch noch die Führung des Europaausschusses. Allmählich häuften sich Fehlzeiten hier wie da. Sie ließ die Führungsfunktion in München schleifen, der Ausschuss musste tageweise neue Interims-Chefs wählen, weil Müller auch keinen Stellvertreter hatte (der Posten stünde rechnerisch der AfD zu, wurde aber nicht besetzt).
Hinzu kam, dass sie mitten in der bayerischen Sitzungszeit einen längeren Urlaub nahm – das ist äußerst ungewöhnlich und wird kritisch beäugt. Ihr Mann habe ihr eine Fernreise geschenkt, ehe sie für den Landtag kandidierte, erklärte sie. Spätestens da wurde die öffentliche Kritik sehr, sehr laut. Sie habe ein Problem mit der „Arbeitsmoral“, schimpfte die CSU-Fraktionsspitze in München. Ihre Heimatzeitung im Allgäu spottete: Freie Wähler hießen wohl Freie Wähler, weil sie ihren Urlaub frei wählen.
Ihre Kostenpauschale im Landtag wurde um eine dreistellige Summe gekürzt. In der Summe dürfte sie durch die EU-Kostenpauschale mehr eingenommen haben, hatte aber auch mehr Ausgaben. Von der CSU (in Europa Rivale, in München Koalitionspartner) kommen zum Abschied noch ein paar böse Worte. Der EU-Abgeordnete Christian Doleschal fordert Müller auf, nun sei „ein guter Zeitpunkt, alle Mehreinnahmen durch das Doppelmandat an die Bevölkerung in Bayern zu spenden“. Doleschal, auch JU-Chef in Bayern, gratuliert zudem dem Freistaat: Die Bürger bekämen ab Dienstag „endlich eine Europaausschussvorsitzende in Vollzeit“.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER