Wollen gemeinsam ins Weiße Haus: Donald Trump mit seinem neuen Vize-Kandidaten J.D. Vance auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee. © dpa
Milwaukee – 2024 hält Donald Trump es mit der Verkündung seines Vize ein wenig so wie damals mit seiner Reality-Show „The Apprentice“: Erst mal fliegen Leute raus. Während die Delegierten beim Parteitag in Milwaukee gerade dabei sind, den Republikaner offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten zu küren, tröpfeln die ersten Nachrichten herein. Der Senator Marco Rubio: raus. Der Gouverneur Doug Burgum: raus. Ihre Namen kursierten seit Wochen, genau wie der des schlussendlich Auserwählten. Den liefert der 78-Jährige dann auf seinem Sprachrohr Truth Social, wo sonst: J.D. Vance.
Mit dem 39-jährigen Senator J. D. Vance aus Ohio hat er dabei einen jungen Politikprofi ausgewählt, der früher sein scharfer Kritiker war – und dann nach 2016 seine Position radikal verändert hat. Vance studierte mit Prädikatsabschluss Jura an der Eliteuni Yale und pflegt ausgezeichnete Beziehungen zum Technologie- und Finanzsektor in Silicon Valley. Er steht für die stark gewachsene Bedeutung von Silicon Valley im konservativen Amerika. Gleichzeitig repräsentiert er Loyalität – und unterstützte durch sein Erscheinen als einer der wenigen Volksvertreter Washingtons Trump während dessen Strafverfahren in New York als Medien-Sprachrohr.
Die Berufung von Vance beinhaltet auch einen wichtigen strategischen Aspekt mit Blick auf das Wählerverhalten in der ersten Novemberwoche. Der Vizekandidat soll offensichtlich als Bindeglied Trumps zu den männlichen Weißen im Mittleren Westen fungieren. Denn Vance ist auch Bestsellerautor und schrieb 2016 das Werk „Hillbilly Elegy“, in dem der Autor seine Jugend in einer armen Familie der Arbeiterklasse in Ohio schildert. Außenpolitisch gilt er als eng mit den Thesen Trumps verbunden. Für Vance hat die Devise „America First“ einen hohen Stellenwert. Was wiederum bedeutet: Je nach Stärke seines Einflusses auf Trump könnte nach einem Wahlsieg die Debatte über Ukraine-Militärhilfen und auch über die Nato neue Fahrt im Weißen Haus gewinnen. Wenige Tage vor Ausbruch des Krieges hatte Vance dem rechten Scharfmacher Steve Bannon gesagt: „Es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert, so oder so.“ Gut zwei Jahre später schrieb er: „Bidens Regierung hat keinen tragfähigen Plan, wie die Ukrainer diesen Krieg gewinnen können. Je eher sich die Amerikaner dieser Wahrheit stellen, desto eher können wir dieses Chaos beheben und für den Frieden vermitteln.“ Von den Europäern erwartet Vance, mehr für die Ukraine zu tun.
Im Gegensatz zu Trump stammt Vance aus einer Arbeiterfamilie. Er wuchs in Ohio in instabilen Verhältnissen auf und verbrachte große Teile seiner Kindheit bei den Großeltern. Nach dem Schulabschluss ging er zum Militär, diente im Zuge dessen auch im Irak. Im Anschluss begann Vance, der immer wieder den Stellenwert von Bildung betont, seine akademische Laufbahn.
Während seiner späteren Zeit im Finanzsektor begann Vance zunehmend, über seine eigenen Wurzeln und die Herausforderungen der weißen Arbeiterklasse zu reflektieren, aus der er stammt. Diese Eindrücke flossen in seine Memoiren „Hillbilly-Elegie“ ein, mit denen er 2016 Erfolge feierte. Der Bestseller, der auch verfilmt wurde, erzählt von einer Schicht, die damals Trumps Wahlsieg mit möglich machte. Mit dem Buch bekam Vance nicht nur Anerkennung, sondern auch eine Möglichkeit, seine politischen Anliegen in den öffentlichen Diskurs zu bringen.
Vance hatte vor einigen Jahren wenig freundliche Worte für Trump übrig. Er sprach von sich selbst als „Never Trumper“ und nannte den Republikaner einen „Idioten“. Angeblich soll er Trump auch einmal in einer privaten Nachricht mit Adolf Hitler verglichen haben. Und Vance schrieb in einem Meinungsstück in der „New York Times“: „Herr Trump ist ungeeignet für das höchste Amt unseres Landes.“ In die Politik stieg Vance aber erst 2021 so wirklich ein.
Schon in der Ankündigung, dass Vance sein Vize wird, machte Trump klar, worin er die Aufgaben des jungen Senators sieht. Vance werde sich im Wahlkampf unter anderem auf Arbeiter und Farmer in umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Ohio, Minnesota konzentrieren, schrieb er. Diese „Swing States“ sind weder fest in der Hand der Demokraten noch der Republikaner – und sind damit wahlentscheidend.