Zwischen Alpakafarm und Haifischbecken

von Redaktion

Nach dem Putsch: Neuling Grießhammer führt Landtags-SPD – und zwar in die Mitte, gelobt er

Holger Grießhammer (42) stellt sich als SPD-Fraktionschef vor. © Kneffel/dpa

München – Der erste Satz verrät viel. „Wir haben durbulende Dage hinder uns“, sagt Holger Grießhammer gleich eingangs im Landtag, und die Zuhörer lernen zweierlei. Er ist Franke, tiefer Dialektsprecher. Und er ist kein Schönredner. Der 42-Jährige ist soeben zum Chef der SPD-Landtagsfraktion gewählt worden. Er will die Monate (oder: Jahre) mit Wahlniederlagen und internen Streitereien der bayerischen Sozialdemokratie beenden.

Der Start klappt. Einstimmig wählt ihn die kleine Fraktion zum Chef, zum Nachfolger des aus Partei- und Fraktionsamt gestürzten Münchners Florian von Brunn. 16-mal Ja, keine Nein-Stimme, keine Enthaltung, und von Brunn tut ihm zumindest den Gefallen, dem Votum fernzubleiben. Damit ist der Neustart nicht überschattet. „Wir müssen wieder enger aneinanderrücken“, redet Grießhammer den Genossen ins Gewissen.

Es ist eine ungewöhnliche Personalie in der Landespolitik. Er ist Neuling, neun Monate im Parlament. Der 42-Jährige passt nicht in die Politikerklischees von Kreißsaal-Hörsaal-Plenarsaal. Grießhammer ist Malermeister mit eigenem Betrieb in Oberfranken. Fünffacher Vater, erstes Kind vor 20 Jahren, bodenständig. Während andere Politiker Schlachten in Jugendorganisationen schlugen, Jusos, JU, was auch immer, baute er seinen Betrieb auf (ohne Kapital von den Eltern) und nebenher mit der Frau eine kleine Alpakafarm, flauschige Streichelkamele. Er ist dafür noch nicht von Rhetoriktrainern glattgeschliffen, schwitzt vor der Kamera. „Die SPD hat Wahlprogramme aufgestellt mit riesengroßen Sätzen“, sagt er zum Beispiel. „Unverständlich! Die SPD muss einfache Sprache sprechen.“

Er verspricht das, was die Kritiker von Bayerns traditionell extraweit links stehender SPD einfordern: Geht in die Mitte. Er spüre „keinen Rechtsruck“ in der SPD, sagt Grießhammer, aber man müsse „die Politik der SPD in die Mitte der Gesellschaft“ steuern. Zielgruppe: „Der fleißige Handwerker, die Krankenschwester, die Pflegekraft, alle, die selbst für ihren Unterhalt sorgen.“ Er sagt es nicht explizit, aber die SPD sieht er eher als Partei der Arbeiter als der Alimentierten. Und er warnt: Die Roten dürfen das Land nicht aufgeben. „Wir haben sehr, sehr stark im ländlichen Raum verloren“, betont Grießhammer. Er will selbst dafür stehen, den Trend zu stoppen. Ziel: wieder zweistellig werden, gar vielleicht über 20.

Kann das gut gehen? Einen ersten Rumpler gibt es schon, denn in einem Interview im Fränkischen grantelte Grießhammer am Wochenende über die Großstadt: „Die Münchener leben oftmals in ihrer Blase.“ Am nächsten Tag muss er vor Journalisten geraderücken, München sei eine „dolle Stadt“, er wolle die Großstädter „nicht in a Ecke stellen“. Er lässt aber fallen, dass all die vielen SPD-Chefs und -Fraktionschefs, die in den vergangenen Jahren kamen und gingen, fast allesamt Münchner waren.

Gewählt ist Grießhammer nun unter Vorbehalt: Seine Amtszeit reicht nur bis Mai 2026, dann wird der komplette Fraktionsvorstand neu gewählt. Die Führung der Fraktion ist vorerst übrigens kleiner als unter von Brunn, nur drei Vizes: Anna Rasehorn, eine aufstrebende und ebenfalls neue Abgeordnete aus Schwaben, Doris Rauscher aus dem Landkreis Ebersberg und der Mittelfranke Arif Tasdelen. Parlamentarischer Geschäftsführer bleibt der Unterfranke Volkmar Halbleib.

Als Parteichef kandidiere er parallel nicht, stellt Grießhammer klar. Über die amtierende Vorsitzende Ronja Endres äußert er sich vorsichtig. Im Amt zu bleiben auch ohne Co-Chef von Brunn sei „ihr gutes Recht“.
C. DEUTSCHLÄNDER

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