Jähe Unterbrechung des Wahlkampfes: Wegen einer Corona-Erkrankung begibt sich Joe Biden in Quarantäne. © dpa/Walsh
Washington – Die erhoffte Aufholjagd ist unterbrochen, noch ehe sie überhaupt Fahrt aufgenommen hat. Während die Republikaner die Krönung ihres Kandidaten Donald Trump zelebrieren, stand für Joe Biden am Mittwoch eigentlich eine Rede in Las Vegas an, bei der er sich als kraftvoller Bewerber präsentieren wollte. Doch so weit kam es nicht. Wegen einer Coronaerkrankung musste der Präsident die Heimreise antreten und begab sich in Quarantäne. TV-Aufnahmen zeigen einen müden, angeschlagenen Biden – genau das Bild, das er hatte abschütteln wollen.
Es läuft gerade denkbar schlecht für Biden und die Demokraten. Intern steigt der Druck auf den Präsidenten, dessen Wahl-Aussichten sich in den letzten Wochen massiv eingetrübt haben. Immer prominenter werden die Parteivertreter, die Biden auffordern, aus dem Rennen auszusteigen.
Während der noch in Nevada unterwegs war, rief der demokratische Abgeordnete Adam Schiff den 81-Jährigen zum Rückzug auf. Kurze Zeit später berichteten Medien übereinstimmend, dass die beiden Top-Demokraten im US-Kongress, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, Biden bereits vergangene Woche davor gewarnt hätten, an seiner Bewerbung festzuhalten. Auch Ex-Präsident Barack Obama soll zweifeln. Laut „Washington Post“ sagte er vertrauten Personen, Bidens Chancen auf einen Wahlsieg seien stark gesunken, der Präsident solle sein Festhalten an der Kandidatur überdenken.
Schließlich berichtete CNN, dass die demokratische Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi Biden kürzlich gesagt habe, er könne Trump nicht schlagen. Biden reagierte demnach abweisend. Die „New York Times“ schrieb hingegen, er habe sich zuletzt offen für Warnungen gezeigt. Das Portal Axios rechnet nach Gesprächen mit Top-Demokraten gar damit, dass der Präsident noch am Wochenende aufgibt.
Öffentlich hat Biden bislang alle Rückzugsforderungen zurückgewiesen. In einem TV-Interview sagte er jüngst aber, dass ihn ein medizinisches Problem dazu bringen könne, neu nachzudenken.
Der Abgeordnete Schiff, der sich um einen Posten im Senat bewirbt, erklärte nun, er habe ernsthafte Bedenken, ob Biden Trump besiegen könne. Biden habe große Erfolge zu verbuchen, aber es sei an der Zeit, den Weg freizumachen für jemand anderen. Schiff ist ein Vertrauter Pelosis. Es ist davon auszugehen, dass die 84-Jährige, die in der Partei weiter großen Einfluss hat, vorher über den Vorstoß informiert war.
Bidens Beharrlichkeit bereitet auch aus anderen Gründen Sorgen. Sowohl Schumer, Mehrheitsführer im Senat, als auch Jeffries, Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, warnten den Präsidenten zuletzt, sein Beharren könne dazu führen, dass die Demokraten die Kontrolle über beide Kongresskammern verlieren. Im Herbst wird ein Drittel der Senatssitze neu vergeben. Das Repräsentantenhaus wird komplett neu gewählt.
MB/DPA