Von der Leyen und ihr Mehrheitsbeschaffer: Manfred Weber (CSU), der Fraktions- und Parteivorsitzenden der EVP, gratuliert der bisherigen und künftigen Kommissionschefin. © afp
Straßburg/München – Am Ende gab es Küsschen in Straßburg. Nachdem am Donnerstag um 14.15 Uhr klar war, dass Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit zur Kommissionspräsidentin gewählt ist, standen die Gratulanten im EU-Parlament Schlange bei der früheren deutschen Ministerin von der CDU. Tatsächlich fanden sich die Stimmen für sie auch dort, wo nicht gerade ihre klassischen Fans sitzen. Der Grüne Erik Marquardt etwa begründete sein Ja für von der Leyen damit, dass er das Erstarken von Kräften am rechten Rand verhindern möchte. Die fünf FDP-Abgeordneten entschieden sich hingegen gegen von der Leyen. Dabei hatte die Kommissionschefin noch versucht, die FDP mit einem Vorstoß für synthetische Kraftstoffe auf ihre Seite zu ziehen. Es reichte auch so – nicht zuletzt mithilfe weiterer Zugeständnisse. Was sie in den kommenden fünf Jahren vorhat, hat von der Leyen am Mittwoch bereits skizziert.
■ Rückzieher beim Verbrenner-Aus
Von der Leyen verspricht einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten. Das möchte sie durch eine gezielte Änderung des entsprechenden EU-Gesetzes erreichen. Die EU hat eigentlich beschlossen, dass ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden sollen, die im Betrieb kein klimaschädliches CO2 ausstoßen. Die Bundesregierung hatte sich auf Drängen der FDP dafür eingesetzt, dass es Ausnahmen für E-Fuels geben soll. Um grenzüberschreitende Zugfahrten in der EU zu erleichtern, will von der Leyen zudem eine Verordnung über die einheitliche digitale Buchung von Fahrkarten vorschlagen.
■ Wohnen
Von der Leyen kündigte an, einen Plan für erschwinglichen Wohnraum zu entwickeln. Dazu soll ein eigener Kommissar ernannt werden.
■ Medikamente
Engpässe bei Antibiotika, Insulin, Schmerzmitteln und anderen Medizinprodukten sorgen in der EU seit Längerem für Probleme. Von der Leyen will nun ein EU-Gesetz vorschlagen, das Abhängigkeiten bei kritischen Arzneimitteln und Inhaltsstoffen verringern soll.
■ Illegale Migration
Von der Leyen will die europäische Grenzschutzagentur Frontex deutlich stärken und die Zahl der EU-Grenzschützer auf 30 000 verdreifachen. Für weniger illegale Migration sollen zudem weitere Kooperations- und Unterstützungsabsprachen mit Drittstaaten sorgen. Zudem soll das Personal der Polizeibehörde Europol verdoppelt und eine neue Strategie gegen Drogenschmuggel entwickelt werden.
■ Bürokratie
Um unternehmerische Initiativen zu erleichtern, verspricht von der Leyen Bürokratieabbau. Zudem stellt sie Vorschläge zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften in Aussicht.
■ Gefahren aus der Luft
Von der Leyen will den Aufbau eines europäischen Luftverteidigungssystems und einer europäischen Cyberabwehr vorschlagen. Zudem will sie einen Verteidigungskommissar ernennen.
■ Schild für Demokratie
Die EU braucht nach Ansicht von der Leyens eigene Strukturen zur Bekämpfung der Manipulation von Informationen und der Einflussnahme aus dem Ausland. Deswegen möchte sie einen Vorschlag für einen „Europäischen Schutzschild für die Demokratie“ vorlegen.
■ Saubere Industrie
Von der Leyen will in den ersten 100 Tagen der neuen Legislatur eine Strategie für eine saubere Industrie in Europa vorlegen. Der sogenannte „Clean Industrial Deal“ werde Investitionen in Infrastruktur und Industrie kanalisieren, insbesondere für energieintensive Sektoren, hieß es. Die Strategie solle auch dazu beitragen, die Energiekosten zu senken. Zudem möchte sie Maßnahmen vorschlagen, die es Investoren erleichtern sollen, in schnell wachsende Unternehmen zu finanzieren.
■ Klimaziel bis 2040
Um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, soll ein weiteres Zwischenziel verankert werden. Es sieht vor, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Zudem kündigte von der Leyen einen Klimaanpassungsplan an. Für niedrigere Energiepreise plant sie etwa Vorschläge für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien.
■ Landwirtschaft
Von der Leyen will in den ersten 100 Tagen eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorstellen. Es soll darum gehen, wie langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen der Erde sichergestellt werden können.