INTERVIEW

„Das ist ein Versagen der Bahn-Führung“

von Redaktion

Der CSU-Verkehrspolitiker Lange fordert den Rücktritt von Konzernchef Lutz

„Die Bahn kriegt die Kurve nicht“: Ulrich Lange (CSU). © Schlaf

Zu voll. Zu spät. Was läuft falsch bei der Deutschen Bahn? © Ralph Peters/Imago

Der schwäbische CSU-Bundestagsabgeordnete Ulrich Lange (55), seit 2018 Fraktionsvize und Sprecher für Verkehr, Bau und Digitales, will einen Neustart der CSU in der Verkehrspolitik: Beim Besuch unserer Redaktion fordert er die Zerschlagung der Deutschen Bahn und den Rücktritt der Konzernspitze. Ein Gespräch über Versagen und Beschwichtigung.

Wie blamiert fühlt man sich als langjähriger Verkehrspolitiker, nachdem die Deutsche Bahn bei der EM zum Gespött von halb Europa geworden ist?

Es ist peinlich und zum Fremdschämen, zumal Deutschland ja im Ruf stand, Infrastruktur und Schienenverkehr organisieren zu können. Der Zeitpunkt der EM war bekannt, die Spielorte, zu Beginn auch die Spiel-Paarungen. Da hätte sich die Bahn mit einem Konzept vorbereiten können. Dass das unterblieb, ist für mich ein klares Managementversagen. Das ist zu trennen von der Frage, in welchem Zustand die Infrastruktur und die Züge sind. Für die EM hätte man eben die besten Züge und die funktionierenden Strecken einsetzen müssen.

Ist das ein Versagen der Konzernspitze?

Das ist ein Versagen der DB-Führung und des DB-Apparats.

Sie fordern den Rücktritt von DB-Chef Lutz. Was würde das bringen?

Ich gehöre nicht zu denen, die schnell mit Rücktrittsforderungen bei der Hand sind. Nach drei Niederlagen den Trainer auszuwechseln, war zumindest im Fußball nicht immer erfolgreich. Beim DB-Vorstand Lutz hat sich aber gezeigt, dass er nach über zehn Jahren in Führungsverantwortung, zunächst als Finanzvorstand, seit 2017 als Konzernchef, zwar x-fach versprochen hat, dass die Bahn die Kurve bekommt. Der Erfolg ist ausgeblieben. Irgendwann muss man Verantwortung übernehmen.

Wie groß ist die Verantwortung der früheren CSU-Verkehrsminister am Desaster?

(Lacht.) Die Frage habe ich erwartet. Die CSU hat zwölf Jahre den Verkehrsminister gestellt. Ich bin für eine differenzierte Betrachtung dieser Zeit. Ich bleibe dabei: Die Union kann Verkehrspolitik, kann auch Bahnpolitik.

Die Scheuer-Jahre lasten schwer auf der CSU-Verkehrspolitik. Mit welchem Konzept wollen Sie aus der Defensive?

Wir erarbeiten neue Konzepte für die Zukunft. Die Unionsfraktion schlägt in einem von mir erarbeiteten Grundsatzpapier vor, die Deutsche Bahn AG als Konzern aufzulösen. Die Infrastruktur, also Bahnhöfe, Schienen, Energie, werden aus der DB AG herausgelöst und in eine bundeseigene GmbH überführt. Die Infrastruktur muss in die öffentliche Hand.

Das würde bedeuten, dass das Ministerium dann direkt für die Infrastruktur verantwortlich ist?

Analog zur Autobahn GmbH wäre so eine neue GmbH dem Ministerium weisungsgebunden. Im Aufsichtsrat der GmbH wäre auch die Opposition vertreten. Große Infrastrukturvorhaben brauchen breiten Konsens.

CDU-Chef Friedrich Merz sagt, um den Bahnbetrieb zu stabilisieren, müsse man das Streckennetz ausdünnen. Hat er Recht?

In unserem Grundsatzpapier zur Bahnreform ist nicht von einer Ausdünnung des Streckennetzes die Rede. Die Grundfrage ist aber, wie viel Kapazität das Netz zusätzlich hergibt. Unser Problem war ja in den vergangenen Jahren, dass wir immer weitere Verdichtungen und Vertaktungen hergestellt haben, ohne dass das Netz mitgewachsen ist. Ich muss Netz und Angebot in Einklang bringen. Das heißt nicht grundsätzlich, dass man ausdünnt. Der Ist-Stand ist zu halten.

Die Bahn will nun 41 Hochleistungskorridore sanieren. Ist das die richtige Strategie?

Wir sind nicht überzeugt von dem Konzept der sogenannten Generalsanierung. Es ist reine Reparatur, die da stattfindet. Bei der Riedbahn Frankfurt-Mannheim wird von 106 Brücken keine einzige saniert. Der Korridor Nürnberg-Passau, der 2026 in die Reparatur geht, hat 82 Brücken. Saniert wird nur eine. Dabei sind viele der Brücken uralt. Auch die Digitalisierung wird nicht erfolgen, sie wird nur vorbereitet. Das hat mit einer echten Generalsanierung nichts zu tun.

Sie würden also noch umfassender sanieren. Dann würde die Streckensperrung noch länger dauern.

Das würde länger dauern, sicher. Ich würde aber den Leuten nicht vorgaukeln, bis 2030 werde es quasi ein neues Hochleistungsnetz in Deutschland geben. Diese Versprechungen der DB und von Bundesverkehrsminister Wissing sind nichts wert.

Wie teuer wird das Deutschlandticket im nächsten Jahr?

Das 49-Euro-Ticket war von vorneherein unterfinanziert. Es gibt eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe. Alles zwischen einem Preis von 69 und 89 Euro ist möglich. Mit zehn Euro mehr ist es jedenfalls nicht getan.

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