Maskenpaket für den Minister: Jens Spahn (CDU) im Juni 2020 mitten in der Pandemie. Diese Lieferung wurde übrigens gespendet. © Britta Pedersen/dpa
Berlin/München – Jens Spahn war gerade in Milwaukee. Beim Parteitag der US-Republikaner ging es ihm und anderen Unionspolitikern darum, Kontakte zu stärken in eine mögliche künftige Trump-Regierung. Glaubt man hingegen der Grünen-Bundestagsabgeordneten Paula Piechotta, ging es Spahn auch um etwas anderes: Ablenkung. Der CDU-Mann versuche, „mit effektreichen Äußerungen“ auf dem Parteitag und zu Angela Merkel „es medial so richtig krachen zu lassen“, mutmaßte sie diese Woche.
Das, wovon Spahn angeblich ablenken will, sind neue Vorwürfe bezüglich seiner Maskenkäufe zu Beginn der Corona-Pandemie, die gerade bekannt geworden sind. Die „FAZ“ hat E-Mails veröffentlicht, die zeigen sollen, dass er im März 2020 als Bundesgesundheitsminister gegen eine Empfehlung seiner Fachabteilung den Preis für Maskenkäufe stark erhöht hat. Demnach schlug der zuständige Abteilungsleiter in Spahns Ministerium damals einen Preis von drei Euro netto für jede FFP2- oder KN95-Maske vor, die Lieferanten der Bundesregierung in einem offenen Verfahren und in beliebiger Stückzahl beschaffen sollten – „Open-House“ lautet der Fachbegriff für dieses Vorgehen. Es ging also in Zeiten weltweiter Knappheit für das Ministerium darum, einen Preis zu finden, der sicherstellte, dass Deutschland seinen Bedarf decken kann. Drei Euro pro Maske, das sei „ordentlich“, schlug der Abteilungsleiter vor. Doch der Minister wollte offenbar auf Nummer sicher gehen – und erhöhte den E-Mails zufolge auf 4,50 Euro netto, dazu kam noch die Mehrwertsteuer.
Nicht nur die Grünen sehen diese Entscheidung im Nachgang sehr kritisch. Denn das Verfahren lief aus dem Ruder und verfolgt die Bundesregierung bis heute – und zwar über die bereits entstandenen Mehrkosten für zu viel und zu teuer beschaffte Masken hinaus. Angesichts des Überangebots zurückgewiesene Lieferanten versuchen nämlich vor Gericht Forderungen in Milliardenhöhe durchzusetzen – und bekamen schon zuletzt in einem Urteil grundsätzlich Recht. Am Freitag folgte dann die Bestätigung: Das Oberlandesgericht Köln verurteilte den Bund zur Zahlung von rund 86 Millionen Euro plus Zinsen an die Handelsfirma ILTS. Sollte das Urteil Signalwirkung für andere Fälle haben, könnte es also noch mal kostspielig werden. „Zweifelsohne haben wir es mit teils teuren Fehlentscheidungen zu tun, deshalb müssen die damaligen und heutigen Strukturen überprüft und angepasst werden“, sagte zuletzt Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel der „FAZ“. Die Übertreibungen hätten sich vermeiden lassen.
Spahn selbst verteidigt hingegen seine damaligen Entscheidungen. „Aus heutiger Sicht, ja, war es sehr teuer, aber die Masken waren dann eben auch da“, sagte er zu Welt-TV. Alle – auch die Grünen – hätten damals gesagt: „Besorgt Masken um jeden Preis, im Sinne des Wortes. Keiner hat gesagt: Seid dabei besonders sparsam. Und das haben wir gemacht“, blickt Spahn zurück.
Seinem Nachfolger reicht diese Erklärung offensichtlich nicht aus. Der heutige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die ehemalige Staatssekretärin im Justiz- und im Verteidigungsministerium, Margaretha Sudhof (SPD), beauftragt, die teuren Maskenkäufe aufzuklären. „Sie mistet jetzt aus, dabei geht sie in jeden Winkel“, kündigt Lauterbach an. Innerhalb weniger Monate werde ihm die Juristin einen Bericht vorlegen, der auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen könne.
Aus der Union kommt hingegen der Hinweis, dass auch der heutige Gesundheitsminister umstrittene Entscheidungen zu verantworten habe. Lauterbach habe „überschüssige Impfstoffe für 2,2 Milliarden Euro beschafft, als das Ende der Pandemie längst absehbar war“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, der „FAZ“. „Auf eine Aufarbeitung warten wir bis heute.“