WIE ICH ES SEHE

Die Kunst, stilvoll zu altern

von Redaktion

Noch im Kaiserreich betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer 35,6 und für Frauen 38,5 Jahre. Nach den Ergebnissen der aktuellen Sterbetafel sind daraus heute 78,3 (Männer) bzw. 83,2 Jahre (Frauen) geworden. Die Lebenserwartung bei Geburt hat sich also mehr als verdoppelt.

Aber schon in der Antike gab es einzelne richtig Alte. Bei Homer steht dafür Nestor, der „drei Menschenalter sah“ und gleichwohl am Trojanischen Krieg teilnimmt. Bei den Römern ist es vor allem Cato (234 bis 150 v. Chr.), der die Kunst des Alterns beherrschte. Von ihm wird berichtet, dass er im Gegensatz zu anderen Älteren niemals über das Alter geklagt habe: „Alle wünschen, dass sie das Alter erreichen, doch wenn es erreicht ist, dann klagen sie es an. Ich meinerseits folge der Natur als einer göttlichen Führerin und beuge mich ihr. Da sie die übrigen Abschnitte meines Lebens so wohl geordnet hat, ist es unwahrscheinlich, dass sie nun sozusagen den letzten Akt wie ein ungeschickter Dichter vernachlässigen wird.“

Eine mäßige Lebensweise und eine positive Lebenseinstellung wie die des alten Cato sind es, die auch heute noch unsere Lebensspanne beeinflussen. Wer 45-jährig mit dem Rauchen aufhört, verlängert im Durchschnitt sein Leben um sechs Jahre. Nach einer aktuellen Studie in England soll dagegen intensives Sporttreiben im Durchschnitt das Leben nur um ein bis zwei Jahre verlängern. Sportverweigerer könnten dazu sagen, dass am Ende durch Sport nur so viel Lebenszeit gewonnen wird, wie man dafür opfert. Das aber ist deutlich zu kurz gedacht, denn beim Älterwerden kommt es ja nicht nur auf die gewonnenen Jahre an, sondern vor allem auf die Lebensqualität, in der man sein Alter verbringen darf. Dabei spielen Bewegung wie gesunde Ernährung eine Rolle.

Noch mehr als die durchschnittliche Lebenserwartung ist aber das sogenannte „Medianalter“ gestiegen. Das bezeichnet das Alter, in dem die Hälfte einer Jahrgangskohorte gestorben ist. 1952 lag diese Zahl bei Männern um 68 Jahre, bei Frauen unter 71 Jahren. Heute liegen diese Werte bei knapp 80 (Männer) und für Frauen bei knapp 85 Jahren. Die Hälfte jedes Jahrganges hat also heute die Jahre des Alters über 80 oder sogar 85 zu gestalten.

Diese geschenkte Zeit in guter Lebensqualität verbringen zu dürfen, ist ein großes Glück. Zufälle und ebenso unsere individuelle Genetik spielen dabei eine Rolle. Daneben aber können wir unser Schicksal selber in die Hand zu nehmen, indem wir unnötige Risiken vermeiden. Eine Dame, der ich zu ihrem 105. Geburtstag gratulieren durfte, hat mir ihr Altersrezept so verraten: „Quäle Deinen Körper, sonst quält er Dich!“ Auch im Alter kann man also noch Schmied seines Glücks sein. Man darf die Ziele nur nicht allzu hoch setzen. Ein Gruß, ein Lächeln auf einem vertrauten Gesicht kann einen ganzen Tag erhellen.

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