Biden steht unter Druck – jetzt steht die Präsidentschaftskandidatur für den Demokraten auf der Kippe. © Nishimura/AFP
München – Joe Biden dürfte gerade viel Zeit zum Nachdenken haben – seine Corona-Erkrankung zwingt ihn nämlich in häusliche Quarantäne. Während der US-Präsident mitten im Wahlkampf ausfällt, reißen die Spekulationen über seinen Rückzug von der Präsidentschaftskandidatur nicht ab.
Die „New York Times“ berichtet von einem möglichen Sinneswandel bei dem 81-Jährigen. „Die Realität setzt sich durch“, wird eine Person aus dem nahen Umfeld zitiert. Die Rede ist von einem Ausstieg aus dem Rennen noch an diesem Wochenende. Der Politikwissenschaftler Peter Neumann formulierte es am Donnerstagabend im ZDF noch drastischer: Bidens Abgang sei nur „eine Frage von Stunden“.
Ein möglicher Auslöser für das Umschwenken des Demokraten könnten Bedenken eines ganz besonderen Mannes sein: Barack Obama. Wie die „Washington Post“ berichtet, habe jetzt auch der Ex-Präsident hinter vorgehaltener Hand Zweifel an Bidens Präsidentschaftskandidatur geäußert. Im Klartext: Biden soll sein Festhalten an der Kandidatur ernsthaft überdenken. Zuvor hatten bereits ranghohe Demokraten ihre Bedenken geäußert.
Obamas Einschätzung dürfte aber noch einmal besonderes Gewicht haben. Denn Biden war acht Jahre lang Obamas Vizepräsident. Nach dem verpatzten TV-Duell gegen seinen Herausforderer Donald Trump hatte sich Obama noch demonstrativ hinter Biden gestellt. „Schlechte Duelle passieren. Glaubt mir, ich weiß das“, erklärte der Ex-Präsident noch Ende Juni. Doch seither überschlugen sich die Ereignisse.
Biden feuerte die Diskussion über seine geistige Verfassung mit peinlichen Patzern am letzten Tag des Nato-Gipfels weiter an. Da kündigte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als „Präsident Putin“ an. Seine Stellvertreterin Kamala Harris nannte Biden dann auch noch „Vizepräsident Trump“. Und dann ereignete sich das Attentat auf Trump.
Während der Republikaner von seinen Anhängern zum Helden stilisiert wurde, geriet die Debatte um Bidens Gesundheitszustand kurzzeitig in den Hintergrund. Doch angesichts der schwindenden Chancen für Biden scheint sich das Blatt jetzt zu wenden.
Als naheliegend gilt, dass Bidens jetzige Vizepräsidentin Harris für ihn ins Rennen gehen würde. Am Mittwoch lobt Biden sie bei einem Wahlkampfauftritt noch in höchsten Tönen: „Sie ist nicht nur eine großartige Vizepräsidentin, sie könnte auch Präsidentin der Vereinigten Staaten sein.“
Normalerweise hält sich Biden mit öffentlichem Lob für seine Kollegin eher zurück. Er betraute sie in ihrer Amtszeit zudem mit ungeliebten Aufgaben wie der Wahlrechtsreform und Migration. In den fast vier Jahren wurde Harris also weder groß gefördert, noch stach sie als eine mögliche Nachfolgerin heraus. Bidens Anerkennung könnte jetzt fast schon als ein Signal des Abschieds gedeutet werden. Harris selbst schweigt über die Spekulationen. Biden betont hingegen, er wolle seine Termine in der kommenden Woche wieder aufnehmen: „Gemeinsam werden wir gewinnen.“
L. HUDELMAIER