Trumps guter Vorsatz hält nicht lang

von Redaktion

Große Gesten: Donald Trump küsst den Helm von Corey Compertore, dem Feuerwehrmann, der bei der Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania vor einer Woche erschossen wurde. © dpa/Arbogast

Milwaukee – Wer eine Trump-Rede kennt, der kennt sie alle? Nein, dieses Mal sollte es anders werden. Nur wenige Tage nach dem Attentat auf den Republikaner sollte das große Finale des frisch gekürten Präsidentschaftskandidaten auf dem Parteitag einen neuen Ton setzen. So verlautete es zumindest aus dem Wahlkampfteam des 78-Jährigen. Doch so besonders die Umstände und der Rahmen in Milwaukee auch waren – Luftballons, Auftritte von Ex-Wrestler Hulk Hogan oder Musiker Kid Rock inklusive: Donald Trump bleibt Donald Trump.

Auch während seiner Rede auf dem Parteitag, bei der Trump die Nominierung zum Kandidaten für die Wahl im November offiziell annimmt, trägt Trump wieder seinen weißen Verband am Ohr. Sogar seine Ehefrau Melania ist gekommen, ein seltener Auftritt, der in einem ungelenken Küsschen auf die Wange mündet. Vier Tage haben die Republikaner in Milwaukee Trump frenetisch gefeiert. Der große Auftritt am Abschlussabend des Parteitags ist nicht irgendein Auftritt. Es ist Trumps erste öffentliche Rede seit dem Attentat von Pennsylvania.

Er beschreibt, was am vergangenen Wochenende in Butler passiert ist, wo ein Schütze das Feuer eröffnete, ein Anhänger starb und zwei weitere schwer verletzt wurden. „Überall floss Blut, und doch fühlte ich mich in gewisser Weise sehr sicher, denn ich hatte Gott auf meiner Seite.“ Er werde das nur einmal erzählen, es sei zu schmerzhaft, betont Trump. Der tödliche Schusswaffenangriff mitten im ohnehin schon aufgeheizten US-Wahlkampf war eine Zäsur.

Trumps Vorredner in den vergangenen Tagen – etwa Vizekandidat J. D. Vance – zeichneten folgendes Bild: Trump ist mutig, stark, ein Kämpfer. Und: Trump ist im Angesicht des Schreckens ein Mann der politischen Mäßigung. „In einem Moment kann er sich trotzig gegen einen Attentäter stellen und im nächsten zur nationalen Heilung aufrufen“, sagte Vance. In dieser Tonart begann auch Trump seine Rede: „Die Zwietracht und Spaltung in unserer Gesellschaft müssen geheilt werden.“ Er wolle ein Präsident für ganz Amerika sein.

Doch je länger der 78-Jährige redete, desto weniger hielt er sich an den Text. Die Zeilen auf dem Prompter stoppten, während Trump weite Strecken seiner Rede improvisierte. Er zeichnete – wie üblich – das Bild eines düsteren Amerikas, einer „Nation im Niedergang“. Er bezeichnete Migranten indirekt als Müll. Wenn man die zehn schlechtesten Präsidenten der USA zusammenzähle, hätten diese nicht den Schaden angerichtet, den Joe Biden verursacht habe. Die Kriminalität in den USA sei so hoch, dass der nächste Parteitag der Republikaner in Venezuela stattfinden werde, sollten die Demokraten gewinnen, weil es dort dann sicherer sei. Der Rest der Welt lache über die USA. Die Lösung: Trump.

Trumps anderthalb Stunden lange Rede unterscheidet sich kaum von den langen Ansprachen, die er auf seinen Wahlkampfveranstaltungen hält. Wer glaubt, dass das Attentat die Rhetorik entschärft hat, irrt. Das hat nicht nur Trumps Rede, sondern der Parteitag an sich gezeigt. Der Sänger Kid Rock gab ein Lied zum Besten, bei dem er „Fight! Fight! Fight!“ in die Menge schrie – also „Kämpft! Kämpft! Kämpft!“. Das Publikum brüllte einstimmig zurück – eine beklemmende Atmosphäre. Diese Worte, die Trump nach dem Attentat rief, waren ohnehin das Motto des riesigen Parteikonvents. Immer wieder wurden sie gerufen.

Das Spektakel mutete in weiten Teilen an wie ein gruseliger Jahrmarkt: Menschen mit orangefarbenen Trump-Perücken, Trump-Hüte, Trump-Ohrringe, Trump-Shirts natürlich. Und dazu die politischen Botschaften der Partei, die Trump vollends im Griff hat: Schilder, beschrieben mit den Worten „Massenabschiebungen jetzt“, Reden über die angebliche korrupte Justiz, über lügende Medien und die America-First-Politik. Es ist eine Partei, die sich ohne Widerstand um Trump schart.

Als am Ende des Parteitags traditionell die Luftballons von der Decke gleiten, steht Trump mit seiner Familie auf der Bühne und lässt sich bejubeln. Neben Melania ist sogar seine Tochter Ivanka gekommen, die sich zuletzt ebenfalls rar gemacht hat. Trump lächelt, winkt, posiert für die Kameras. Er ist ganz der Alte.

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