Botschaft aus Brüssel: Außenministerin Annalena Baerbock beantwortet Fragen vor dem EU-Treffen. © Dulian/dpa
Brüssel – EU-Chefdiplomat Josep Borrell hat nach den Reisen des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán nach Moskau und Peking den Boykott eines von Ungarn geplanten Außenministertreffens in Budapest angekündigt. Er werde stattdessen nach Ende der Sommerpause zu einem Treffen nach Brüssel einladen, kündigte der Spanier in Brüssel an.
Borrell traf die Entscheidung nach einem EU-Außenministertreffen in Brüssel und gegen den erklärten Willen von Ländern wie Deutschland, Spanien und Luxemburg. Unklar blieb zunächst, welche konkreten Folgen sie haben wird. Borrell sagte, er habe versucht, Einigkeit unter den EU-Staaten über das Vorgehen herzustellen. Dies sei aber leider nicht möglich gewesen.
Bei dem Außenministertreffen in Brüssel hatte sich am Montag eine ganze Reihe von Teilnehmern gegen einen Boykott des Treffens ausgesprochen, das die derzeitige ungarische EU-Ratspräsidentschaft eigentlich Ende August in Budapest organisieren wollte. So sprach etwa Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel von „Schwachsinn“. Klar gegen den Borrell-Vorstoß äußerten sich auch Länder wie Spanien und Slowenien.
Hinter den Kulissen äußerten sich nach Angaben von Diplomaten auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie Vertreter von Ländern wie Frankreich und Italien ähnlich. Auf der anderen Seite standen hingegen unter anderem Länder aus Nordosteuropa wie Polen. Litauen und Schweden hatten als Reaktion auf die Alleingänge Orbáns bereits vor Tagen angekündigt, vorübergehend keine Minister zu Treffen nach Ungarn zu schicken.
Über mögliche Reaktionen der EU auf Orbáns Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ex-US-Präsident Donald Trump wird bereits seit Tagen diskutiert. Als besonders ärgerlich gelten sie, weil Ungarn derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat. Entsteht im Ausland der Eindruck, Orbán spreche da im Namen der EU? Und wird seine Reise zu Wladimir Putin als Entgegenkommen gewertet?
Borrell nannte das Vorgehen Orbáns bei dem Außenministertreffen „völlig inakzeptabel“ und bezog dabei auch Äußerungen von Ungarns Außenminister Peter Szijjarto ein. Dieser hatte jüngst in einer Rede im UN-Sicherheitsrat den Eindruck erweckt, als würde die EU den Krieg in der Ukraine durch ihre Politik und ihre Waffenlieferungen befeuern.
Orbán spricht von einer „Friedensmission“. Der Ungar vertritt seit Langem den Standpunkt, dass der politische Kurs von EU und Nato zu einer Ausweitung des Krieges über die Ukraine hinaus führen könnte. In einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb Orbán nach seinen Reisen, die EU sollte jetzt die Initiative ergreifen und mit China Gespräche über eine mögliche große Friedenskonferenz führen. Gleichzeitig sollte die diplomatische Kommunikation mit Russland wieder aufgenommen werden. Baerbock ging auf diese Forderungen bei dem Außenministertreffen nicht ein. Sie kritisierte die Reisen als „Ego-Trips“.
Ungarns Außenminister Szijjarto veröffentlichte zum Außenministertreffen ein Foto von sich, das ihn in einem engen T-Shirt und mit durchtrainiertem Oberkörper zeigt. Dazu schrieb er, er reise mit politischer kugelsicherer Weste nach Brüssel und sei auf ein politisches „Feuergefecht“ vorbereitet. Den Amtskollegen warf er vor, über das Scheitern der eigenen Ukraine-Politik frustriert zu sein.
ANSGAR HAASE