Die Fortschritte der Medizin zeigen sich eindrucksvoll beim Thema Aids. Ebenso kristallisieren sich an der Immunschwächekrankheit exemplarisch die Probleme im Medizinsektor. Kranke werden stigmatisiert. Aufklärung erreicht die am meisten gefährdeten Menschen nicht oder nur unzureichend. Behandlungen sind teuer. Dabei erlaubt es der medizinische Fortschritt heute, dass Betroffene mit einer HIV-Infektion quasi völlig normal leben können. Medikamente schenken ihnen eine normale Lebenserwartung und verhindern, dass sie die Krankheit weitergeben. Dennoch ist es alarmierend, dass die Zahlen der Neuinfektionen wieder steigen – auch in Deutschland.
Die 25. Welt-Aids-Konferenz in München ist ein wichtiges Signal. Es ist eine politische Konferenz. Auch die Erfolgsmeldung, dass es ein neues Medikament zur Vorsorge gibt, das eine Ansteckung zu hundert Prozent verhindert, wirft politische Fragen auf. Das Medikament heißt Lenacapavir. Laut Studien könnten zwei Spritzen pro Jahr eine Infektion verhindern. Doch das Medikament ist teuer. Deshalb wird es der Hersteller nicht auf dem deutschen Markt einführen. Hierzulande werden die Preise vom Gemeinsamen Bundesausschuss für Arzneimittel festgelegt. Der zu erwartende Preis ist dem Hersteller zu niedrig. So ist das nicht nur bei HIV, auch Krebs-Medikamente sind immer wieder betroffen. Die Welt-Aids-Konferenz sollte auch diskutieren, wie viel uns der Fortschritt für unsere Gesellschaft wert ist. Dass es wirksame Medikamente gibt, diese aber nicht verfügbar sind, ist nicht hinzunehmen. Susanne.Sasse@ovb.net