Konflikt um Berg-Karabach: Im September 2023 hat Aserbaidschan die Region rückerobert.
Moskau – Vordergründig klingt die Ansage gar nicht so schroff. Armenien sei „ein souveränes Land“, das seine außenpolitische Ausrichtung unabhängig bestimmen könne, sagte Dmitrij Peskow am Mittwochabend, als er bei einer Pressekonferenz auf EU-Militärhilfe für das Land im Südkaukasus angesprochen wurde. Das wäre ein Allgemeinplatz, würde es sich bei Peskow nicht um den Sprecher Wladimir Putins handeln – und hätte er nicht eine Einschränkung angefügt. Man respektiere es, wenn ein langjähriger Verbündeter nach neuen Partnern Ausschau halte. „Wir wollen nur nicht, dass diese Suchen auf eine Weise erfolgen, die einst das Kiewer Regime gewählt hat.“
Diese Bezeichnung zielt auf die Regierungen der Ukraine seit 2014 und der prowestlichen Revolution ab. Auslöser war damals die Weigerung des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch, ein ausverhandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterschreiben. Nach seinem Sturz annektierte Russland die Krim und besetzte Teile des Donbass.
Auch Armenien hat sich in den vergangenen Jahren von Russland abgewendet und orientiert sich zunehmend Richtung Westen. Die Entfremdung setzte mit der Machtübernahme von Regierungschef Nikol Paschinjan ein, der 2018 auf der Welle von Demonstrationen gegen die korrupte Vorgängerregierung ins Amt gelangt war. Wie zerrüttet das Verhältnis mittlerweile ist, zeigte sich am deutlichsten im vergangenen Jahr im Grenzkonflikt mit Aserbeidschan um die Region Berg-Karabach. Weil die einstige Schutzmacht Russland weitgehend passiv blieb, mussten mehr als 100 000 ethnische Armenier aus der Region fliehen.
Erst im Juni übte Paschinjan im armenischen Parlament scharfe Kritik an Moskau. Das vom Kreml kontrollierte Militärbündnis Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit (OVKS), das eigentlich den Schutz des Landes gewährleisten soll, sei nur noch ein „Seifenblasen-Block“. Mitglieder des Bündnisses hätten, statt Armenien zu schützen, dem benachbarten Aserbaidschan bei Planungen zur Rückeroberung Berg-Karabachs geholfen. Armeniens Mitgliedschaft in der OVKS, zu dem neben Russland noch Belarus, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan gehören, ruht bereits. Ein Austritt gilt als wahrscheinlich.
Schon zuvor hatten sich die Spannungen gehäuft. So besuchte eine armenische Delegation die Kiewer Vorstadt Butscha, die zum Symbol für Gräueltaten des russischen Angriffskriegs wurde. Dabei versicherten Delegationsteilnehmer der Ukraine ihre Solidarität gegen die „russische Aggression“. Moskau sprach daraufhin von einem „unfreundlichen Akt“ und übergab eine Protestnote an das Außenministerium in Eriwan.
Armenien treibt derweil auch öffentlich seine Hinwendung zum Westen voran. Diese Woche endete ein Militärmanöver mit US-Truppen auf armenischem Staatsgebiet. Die Übungen mit Soldaten der US Army sowie der Nationalgarde des US-Bundesstaats Kansas („Eagle Partner 2024“) konzentrierten sich laut Verteidigungsministerium auf „Aufgaben zur Stabilisierung zwischen Konfliktparteien während einer Friedensmission“.
Wie stabil der Frieden in Armenien noch ist? Kremlsprecher Peskow erklärte am Mittwoch, man wolle die Zusammenarbeit fortsetzen und zähle „auf die politische Klugheit Armeniens“. Russland betrachte das Land weiter als „Bruderland und Verbündeten“.
MB/DPA