Skrupellos und brutal: Schwer bewaffnete Polizisten sichern in Amsterdam das Hochsicherheitsgericht ab, in dem ein Prozess gegen Mitglieder der „Mocro-Mafia“ geführt wird. © dpa
Düsseldorf/Köln – Sieben Detonationen innerhalb von drei Wochen: Es ist die Bilanz eines zunehmend eskalierenden Bandenkrieges, der sich seit geraumer Zeit in Nordrhein-Westfalen (NRW) zuträgt. Vergangene Woche riss eine Explosion an einem Düsseldorfer Hauseingang Anwohner aus dem Schlaf, kurz darauf kam es in Köln-Rodenkirchen sogar zu einer Geiselnahme – laut den Ermittlern alles im Zusammenhang mit 300 Kilogramm verschwundenem Cannabis, das zwei rivalisierende Drogenbanden gegeneinander aufbrachte.
Bei einer davon soll es sich um die niederländische „Mocro-Mafia“ handeln. Eine Bande, die für viele Geldautomatensprengungen in NRW und Bayern verantwortlich sein soll und mit zahlreichen Auftragsmorden in Verbindung gebracht wird. Wie etwa auch dem Mord am niederländischen Journalisten Peter de Vries, der zu einem der Köpfe der Gruppe recherchierte und daraufhin im Juli 2021 in Amsterdam mit mehreren Schüssen getötet wurde.
Dass sich die niederländische Mafia nun auch in Deutschland zusehends ausbreitet, überrascht Mafia-Ermittler Oliver Huth nicht. Der Hauptkommissar ist stellvertretender Vorsitzender für NRW im Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ macht er auch die von der Ampel-Regierung durchgesetzte Teillegalisierung von Cannabis mitverantwortlich für die aktuelle Situation. Hauptproblem: Der Konsum wurde freigegeben, ohne dass legale Bezugsquellen in größerem Umfang zur Verfügung standen. „Erst seit Anfang des Monats dürfen die sogenannten Anbauvereine gegründet werden“, sagt Huth. „Bis die aber überhaupt erst gegründet und genehmigt sind und liefern können, wird viel Zeit vergehen.“
Kriminelle nutzen fehlendes Angebot
Zeit, die die Organisierte Kriminalität nutzt. Denn die Nachfrage sei seit dem 1. April da. Die Annahme, der Schwarzmarkt würde durch Cannabisclubs und Selbstanbau geschwächt werden, ist für Huth nicht nachvollziehbar: „Das ist eine völlig naive und weltfremde Sicht. Die Organisierte Kriminalität wird immer alles daran setzen, noch größere Mengen zu günstigen Preisen zu liefern.“ Für viele Konsumenten werde der Schwarzmarkt die bequemste Bezugsquelle bleiben.
Wer allerdings Konsument und wer Dealer ist, das dürfte für Ermittler deutlich schwerer zu unterscheiden werden. Besonders problematisch für Huth ist aber, dass das Cannabis-Gesetz die Justiz mehr behindere, als – wie ursprünglich versprochen – entlaste. Denn die neuen Strafbarkeitsgrenzen gelten auch rückwirkend. Heißt: Staatsanwälte seien damit beschäftigt, zahllose alte Ermittlungsakten durchzugehen und den Cannabis-‚Anteil‘ aus der Strafe herauszurechnen, während die Verfolgung anderer Straftaten liegen bleibt. Ein Umstand, der wie „ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt“ wirkt, sagt Huth. Von Verhältnissen wie in Holland sei man zwar noch entfernt, doch das Nachbarland sollte eher als Mahnung gelten, findet er. Dort habe die Organisierte Kriminalität längst Wirtschaft und Rechtsstaat unterlaufen.
Das sieht auch Klaus Holetschek so. „Die Bandenkriege in Holland und in Deutschland beweisen: Cannabis ist ein Einfallstor für den Schwarzmarkt und Schwerkriminelle“, sagt der CSU-Fraktionschef im Landtag unserer Zeitung. Vor allem Anbauvereine dienten aus seiner Sicht als mögliche Hotspots für Kriminalität. Sollte die Union nach der nächsten Bundestagswahl wieder die Regierung stellen, werde man den „Wahnsinn sofort beenden und den Cannabis-Konsum wieder verbieten“.
Dass sich das Drogenproblem in Deutschland längst nicht nur auf Cannabis konzentriert, hat kürzlich auch ein sensationeller Fund im Hamburger Hafen gezeigt: Ein bundesweites Ermittlerteam stellte die Rekordmenge von 35 Tonnen Kokain sicher. Ware im Wert von 2,6 Milliarden Euro.
Für Huth ist klar: Das dürfte den Konflikt zwischen den Banden noch anheizen. „Die Lieferanten werden es nicht hinnehmen, einfach so 2,6 Milliarden zu verlieren.“ Der Fall in Köln habe es gezeigt: Hier „reichten schon 300 Kilogramm Cannabis, um einen in Deutschland so noch nie gesehenen Bandenkrieg auszulösen“.