Landtag bekommt wohl Extremismusklausel

von Redaktion

Aigner: Handhabe gegen radikale Mitarbeiter – Fraktionen müssen Gesetzesideen erarbeiten

Ilse Aigner greift im Landtag hart durch. © dpa

München – Eigentlich hat sich der Landtag schon in die Sommerpause verabschiedet. Aber vor dem Urlaub beschäftigt sich Ilse Aigner noch mit einem juristisch komplizierten und politisch heiklen Thema. Die Landtagspräsidentin will verhindern, dass Steuergelder an Mitarbeiter von Abgeordneten ausgezahlt werden, die offenbar die freiheitlich demokratische Grundordnung abschaffen wollen. Dazu hatte Aigner eigens ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Und Gutachter Tristan Barczak, der an der Universität Passau unter anderem öffentliches Recht und Sicherheitsrecht lehrt, kommt nun zu dem Schluss: Eine Extremismusklausel ist möglich, aber leicht umzusetzen wird sie nicht.

Im Dezember und Januar hatte sich das Landtagspräsidium mit vier Verdachtsfällen befasst, die für AfD-Abgeordnete arbeiten. Zwei der Mitarbeiter sind in einer rechtsextremen Burschenschaft aktiv, ein weiterer gehört der Identitären Bewegung an. Das Präsidium beschäftigte sich mit der Frage, ob die aktuelle Gesetzgebung dazu ausreiche, die Zahlungen über die Landtagsverwaltung zu stoppen. Steuergelder für Demokratiefeinde, das war nicht nur Ilse Aigner ein Dorn im Auge. Bei einem vierten Mitarbeiter war man sich einig, dass die Vorwürfe ein Einfrieren nicht rechtfertigten. Um bei den anderen dreien Klarheit zu haben, gab man das Gutachten in Auftrag. Juristische Feinschmecker können sich nun durch 233 eng beschriebene Seiten ackern.

Die Kurzfassung für Nichtjuristen: Eine Erstattung des Gehalts für radikale Mitarbeiter einzelner Abgeordneter aus öffentlichen Geldern kann verweigert werden. Sollten Mitarbeiter der Fraktionen als radikal auffallen, darf der Landtag auch ganzen Fraktionen die entsprechenden Mittel kappen. Und auch im Falle von Spionage seien Kürzungen möglich. Allerdings müssten dazu gleich drei Gesetze geändert werden: das Abgeordneten-, das Fraktions- und das Verfassungsschutzgesetz. Aigner plädiert klar dafür. „Der Spielball liegt jetzt bei den Fraktionen“, sagt sie. Denn klar ist auch: Auf der jetzt bestehenden rechtlichen Grundlage sei eine Einbehaltung öffentlicher Gelder nicht möglich gewesen. Das Gutachten sei ein „großer Schritt“, um die Sicherheit und Integrität des Landtags zu gewährleisten. Sie sei optimistisch: „Im Laufe des Jahres könnte man das hinkriegen, wenn man es gemeinsam löst.“

Die CSU-Fraktion will handeln. „Wer unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft, kann nicht mit Mitteln des Staates unterstützt werden“, sagte Fraktionschef Klaus Holetschek. Der parlamentarische Geschäftsführer Michael Hofmann betonte, man sei sich der Verantwortung bewusst. „Die Freiheit des Abgeordnetenmandats ist elementarer Bestandteil unserer Demokratie.“ Man werde deshalb sehr sorgfältig vorgehen. SPD-Rechtsexperte Horst Arnold zeigte sich gesprächsbereit, warnte jedoch vor „rechtlichen Schnellschüssen“. Für Jurist Tristan Barczak ist entscheidend, wann der Verfassungsschutz zurate gezogen werden soll. „Ich bin nicht dafür, eine Regelanfrage durchzuführen“, sagt der Passauer. Es bräuchte schon konkrete Anhaltspunkte für Einzelanfragen, die im Gesetz definiert sein müssten.

Während die AfD der Landtagspräsidentin „autokratische Züge“ unterstellt, beobachten andere Parlamente in Deutschland genau, was in Bayern passiert. Die Landtagspräsidenten seien schon „elektrisiert“, berichtete Aigner. CSU-Politiker Hofmann glaubt deshalb: „Der Bayerische Landtag kann einmal mehr in schwierigen Zeiten Vorreiter für ganz Deutschland sein.“
MIKE SCHIER

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