Wahlkampf mit Krieg und Frieden

von Redaktion

„Diplomatie statt Waffen“: BSW-Anhänger bei Pistorius‘ SPD-Wahlkampfauftritt in Leipzig. © pa

Erfurt/Leipzig – Für Boris Pistorius war es kein Heimspiel. Als der Verteidigungsminister kürzlich in Leipzig Wahlkampf für die sächsische SPD machen wollte, wurde er mit „Stopp Nato! Stopp Aufrüstung!“-Transparenten empfangen. Oder: „Die Reichen wollen Krieg, die Jugend eine Zukunft.“ Anmelder der Demo waren die Gruppe „Frieden schaffen ohne Waffen“ und das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Im Wahlkampf in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist Frieden eines der Topthemen – ungewöhnlich für Landtagswahlen, die ja wenig Einfluss auf Außenpolitik haben. Aber gerade das neue BSW stellt den Krieg in der Ukraine in den Mittelpunkt. In Thüringen und Sachsen werde am 1. September gewählt, dem Antikriegstag, sagt Parteigründerin Sahra Wagenknecht. Da sollten Stimmen „für das BSW ein starkes Zeichen für Diplomatie und Frieden und gegen die Raketenpläne der Amerikaner und der Ampel setzen“.

Die AfD klinkt sich ein. „Diese Ostwahlen entscheiden auch, ob dieses Land den Kriegskurs verlässt mittelfristig oder ob es weiter in Richtung Krieg-Eskalation hineinmündet“, sagte der Thüringer Landeschef Björn Höcke zum Wahlkampfauftakt in Arnstadt. Es gebe nur „eine Möglichkeit, den Frieden zu wählen – und das ist die AfD“.

Beide Parteien lehnen Waffenlieferungen ab, beide dringen auf Verhandlungen mit Russland, beide schreiben der Nato und dem Westen eine Mitschuld am Krieg zu. Beide grenzen sich damit zu SPD, Grünen, FDP und auch zur CDU im Bund ab – und punkten bei Wählern im Osten. Das BSW lag in Umfragen zuletzt in Thüringen bei 20, in Sachsen bei 15 und in Brandenburg bei 17 Prozent. Für die AfD waren es 29 Prozent in Thüringen, 30 Prozent in Sachsen und 24 Prozent in Brandenburg.

Im Osten befürchten nach Angaben aus dem diesjährigen Allensbach-Sicherheitsreport 76 Prozent der Befragten, dass Deutschland in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden könnte. Im Westen sind es nur 44 Prozent. Russland sehen bundesweit 75 Prozent der Befragten als große Gefahr für den Frieden – im Osten sind es mit 53 Prozent deutlich weniger. Umgekehrt die Sicht auf die USA: 40 Prozent der Befragten im Osten werten die Vereinigten Staaten als besonders große Gefahr, bundesweit hingegen nur 24 Prozent.

„Kriegsangst spielt aus meiner Sicht im Osten eine größere Rolle als Antiamerikanismus oder eine prorussische Haltung“, sagt die Historikerin Katja Hoyer. Wurzeln sieht sie im Kalten Krieg. „Viele Ostdeutsche sind damit aufgewachsen, dass die Nato die Bedrohung ist mit ihrer Politik, die auf Abschreckung abzielt. Es wurde der Bevölkerung in der DDR von klein auf beigebracht, dass ein Krieg jederzeit ausbrechen könnte.“

Das sieht die sächsische BSW-Chefin Sabine Zimmermann ähnlich. „Die Menschen öffnen uns am Wahlstand ihre Herzen und sagen, dass sie existenzielle Angst haben und hoffen, wir als neue Partei können dagegen was tun“, sagt die 63-Jährige.

Thüringens AfD-Vize Torben Braga sagt, Bürger unterschieden nicht zwischen den Zuständigkeiten auf Bundes- oder Landesebene. Die AfD spüre, „dass es für unsere Wähler und für viele Bürger ein Thema ist, das sie intensiv bewegt“. Daher fließe es in den Landtagswahlkampf mit ein.

Zuletzt ließ auch Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow aufhorchen. Er spricht sich zwar für Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Wie AfD und BSW verteidigt er aber die Gespräche von Ungarns Regierungschef Viktor Orban in Russland und China. Sein Amtskollege in Sachsen, CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, gilt mit seinen Rufen nach mehr Diplomatie und einem Einfrieren des Krieges in der CDU als Sonderling, scheint in seiner Bevölkerung damit aber einen Nerv zu treffen.

Während die AfD keine Partner hat, könnte das BSW sowohl in Sachsen als auch in Thüringen Teil einer künftigen Regierung werden. In Thüringen ist nach Umfragen sogar denkbar, dass die junge Partei die Ministerpräsidentin stellt.

Die Frage nach Krieg und Frieden birgt viel Konfliktpotenzial für ein Bündnis BSW/CDU, meint Politikwissenschaftler Oliver Lembcke. Unlösbar sei das aber nicht. „Seit längerer Zeit ist es für die CDU ein Lichtblick, wie sie überhaupt die Machtfrage beantworten kann“, sagt der Experte. „Deshalb wird man sich Mühe geben, an dem Thema vorbeizufahren.“ Gelingen könne das womöglich, indem man schlicht auf die fehlende Zuständigkeit bei dem Thema auf Länderebene verweist.

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