Hubert Aiwangers Entschuldigung in der Flugblatt-Affäre hat Charlotte Knobloch nicht überzeugt. © dpa
München – Wenn Hubert Aiwanger in der Nacht auf Mittwoch in Tel Aviv aus dem Flieger steigt, betritt er ein Land in Anspannung. Mit einer Delegation aus Vertretern von Unternehmen und Forschung reist Bayerns Wirtschaftsminister nach Israel, wo in diesen Tagen eine weitere Eskalation des Konflikts in der Region droht. Ein tödlicher Raketenangriff auf fußballspielende Kinder und Jugendliche, hinter dem nicht nur die Regierung von Benjamin Netanjahu die Hisbollah im Libanon vermutet, hat die Lage neu angefacht. „Mit unserem Besuch wollen wir in schwerer Zeit die wirtschaftlichen Kontakte vertiefen und unsere Solidarität mit dem Staat Israel zeigen“, hat Aiwanger schon vor den neuesten Ereignissen betont. Bayern stehe an der Seite des jüdischen Staats. Nach den Angriffen der Terrororganisation Hamas im Oktober vergangenen Jahres habe das Land „das Recht und die Pflicht sich zu verteidigen“, sagte der Freie-Wähler-Politiker, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist.
Bis Freitag bleibt Aiwanger in Israel. Geplant sind Treffen mit Wirtschaftsminister Nir Barkat und mit führenden Vertretern des Energieministeriums, Unternehmensbesuche in Tel Aviv und Haifa sowie Networking-Treffen der Delegationsteilnehmer mit israelischen Firmenchefs, unter anderem aus der Sicherheitstechnik. Doch natürlich steht bei diesem Besuch auch noch eine Sache im Raum, die vor fast einem Jahr den bis dahin eher dahindümpelnden bayerischen Landtags-Wahlkampf beherrscht hat. Stichwort: Flugblatt-Affäre.
Die „SZ“ berichtete im Sommer 2023 groß, dass Aiwanger im Teenager-Alter einmal ziemlich viel Ärger an seiner Schule hatte, weil in seiner Tasche Flugblätter mit menschenverachtenden Inhalten gefunden wurden, in denen auch zynisch formulierte Bezüge zu den Grausamkeiten des Holocausts enthalten waren. Aiwanger, in der Folge mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert, wies zurück, der Urheber der Pamphlete gewesen zu sein. Sein Bruder übernahm – rund 35 Jahre nach dem Vorfall – die Verantwortung. Doch sein Umgang mit der Affäre brachte Aiwanger weiter scharfe Kritik von Vertretern des jüdischen Lebens in Deutschland ein. „Immer wieder betonte er eine politische Kampagne gegen ihn als Person und konnte sich erst spät zu einer Entschuldigung durchringen“, zeigte sich Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden irritiert. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, lehnte Aiwangers Entschuldigung sogar ab. An ihrer Meinung über den Freie-Wähler-Chef hat sich auch seither offenbar wenig geändert. „Von meiner Seite ist alles gesagt“, teilt Knobloch unserer Zeitung auf Nachfrage knapp mit.
Nach Israel reist Aiwanger nun auf ausdrücklichen Wunsch der dortigen Regierung. Sie habe sich „sehr gefreut“, dass der Minister ihre Einladung angenommen hat, erklärt Generalkonsulin Talya Lador-Fresher. Einen symbolträchtigen Termin wird der Gast aus Bayern gleich am Mittwochmorgen wahrnehmen. Seine erste Fahrt führt Aiwanger dann an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Er will dort einen Kranz niederlegen.
SEBASTIAN HORSCH