Streit um Steuerbonus für Ausländer

von Redaktion

Wie Fachkräfte aus dem Ausland anlocken? Die Bundesregierung hat steuerliche Anreize vorgeschlagen – das stößt nun aber auf breite Kritik. © picture alliance/dpa/Oliver Dietze

München – Es sollte ein Papier voller guter Ideen werden: Wie die Wirtschaft wieder in Schwung bringen? Wie den kränkelnden Unternehmen in Deutschland wieder auf die Beine helfen? Und vor allem: Wie den Fachkräftemangel beheben? Auf 31 Seiten hat das Lindner-Habeck-Scholz-Trio vor einigen Wochen – nach ewig langen, zähen Verhandlungen – 49 Vorschläge aufgelistet, die das Wachstum um 0,5 Prozentpunkte steigern soll. Wie realistisch das ist: völlig offen. Doch klar ist: Die „Wachstumsinitiative“ der Ampel birgt Zündstoff. Und zwar vor allem in vier Sätzen, unter Punkt 27: „Arbeitsaufnahme in Deutschland steuerlich begünstigen.“ Oder, mit anderen Worten: Arbeitskräfte aus dem Ausland mit Steuerrabatten anlocken.

Konkret sieht die Idee vor, dass neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit je 30, 20 und zehn Prozent ihres Bruttolohns steuerfrei erhalten können. Diese Freistellung soll – mit einer Unter- und Obergrenze – für „Spitzenkräfte“ aus dem Ausland gelten, die eine steuerliche „Anwerbungsprämie“ erhalten können. Andere europäische Staaten wie zum Beispiel Dänemark würden so schon lange ausländische Arbeitskräfte gewinnen, argumentiert die Bundesregierung.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags erhebt nun aber Zweifel daran, ob das erlaubt ist: Mit der Entlastung nehme man eine „steuerliche Ungleichbehandlung“ in Kauf, heißt es in dem Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt. „Die geplante Regelung begünstigt neu zugewanderte Arbeitnehmer gegenüber allen anderen steuerpflichtigen Arbeitnehmern.“

In der Koalition gab es von Anfang an kritische Stimmen zum Steuerbonus. Als die Ampel-Spitzen die „Wachstumsinitiative“ Anfang des Monats präsentiert hatten, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, dass er zwar grundsätzlich hinter dem Projekt stehe – speziell wegen Punkt 27 befürchte er aber gesellschaftliche Missverständnisse. „Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt über die Einigung nicht furchtbar glücklich bin“, sagte er.

Das Gutachten der Wissenschaftler nährt nun diese Zweifel. Es wurde von BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht in Auftrag gegeben, die das Ergebnis nun als „verheerend“ für die Ampel bezeichnet. „Nach zehn Jahren nahezu grenzenloser Flüchtlingsaufnahme jetzt auch noch Deutsche schlechterstellen zu wollen, ist Gift für das Zusammenleben“, erklärt sie gegenüber unserer Zeitung. „Die Ampel muss diese steuerliche Inländerdiskriminierung kassieren!“

Ganz so drastisch formulieren es die Wissenschaftler des Bundestags dann aber doch nicht. Je nach Auslegung (großzügig) könnte die Ungleichbehandlung auch gerechtfertigt sein, geben die Experten zu bedenken. Denn bereits in der Vergangenheit habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei steuerlichen Subventionen deutlich größeren Gestaltungsspielraum gewährt. Lege man also Prüfmaßstäbe wie das Verfassungsgericht an, würde es in diesem Fall bereits ausreichen, einen „sachlichen Grund“ für die unterschiedliche Besteuerung zu nennen.

Kritik am Steuerbonus kommt auch von Arbeitgebern. „Der Vorschlag widerspricht der Steuergerechtigkeit und sendet ein falsches innenpolitisches Signal“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger jüngst gegenüber ntv. Er befürchtet außerdem „Unruhen im Betriebsfrieden“. Auch die Industrie ist skeptisch. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte gegenüber der ARD, dass die zügige Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und Qualifikationen sinnvollere Maßnahmen seien, um ausländische Arbeitskräfte zu gewinnen – sowie auch beschleunigte Verfahren bei der Erwerbsmigration. Der Ex-Wirtschaftsweise und VWL-Professor Peter Bofinger nannte den Steuerbonus der Ampel im ZDF eine „Schnapsidee“: Sie wäre für Arbeitgeber sogar ein Anreiz, geringere Löhne zu bezahlen.

Noch ist aber nichts beschlossen. Die „Wachstumsinitiative“ der Ampel ist ein Vorschlag – einen konkreten Gesetzesentwurf zum Steuerbonus gibt es noch nicht. Aus der FDP kommen bereits versöhnliche Worte. Finanzminister Christian Lindner hatte kürzlich angekündigt, in der Koalition noch mal das Gespräch zu suchen – man habe wahrgenommen, dass der Vorschlag von Arbeitgebern eher „verhalten“ angenommen wird.
MIT DPA

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