Verbot umgangen? Elsässer mit dem „Näncy“-Titelblatt. © dpa
München – Keine Frage, Jürgen Elsässer fühlt sich wie ein später Sieger. „Was Frau Faeser verbieten wollte, lässt sich nicht verbieten“, sagt der frühere Chefredakteur des rechtsextremen Magazins „Compact“ und stemmt die Arme in die Hüften. Neben ihm hält ein gewisser Anselm Lenz ein Blatt in die Kamera, es zeigt die Innenministerin vor schwarzem Hintergrund. Über ihr prangt der höllisch rote Titel: „Näncy“.
Was Elsässer Mitte vergangener Woche am Rande einer AfD-Veranstaltung in Brandenburg feiert, ist eine wundersame Wiederauferstehung. Vor zweieinhalb Wochen erst verbot das Innenministerium sein Magazin mit der Begründung, es sei ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“. Nun ist die August-Ausgabe trotzdem erschienen, online und unter anderem Titel. Er selbst sei nicht an der Publikation von „Näncy“ beteiligt, sagt Elsässer, schätze aber den „verlegerischen Mut“.
Hinter der Aktion stecken Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp, Gründer der Zeitung „Demokratischer Widerstand“, die vor allem im Corona-Querdenker-Milieu verbreitet ist. „Näncy“ soll als gedruckte Beilage erscheinen, unter dem Online-Auftritt der Zeitung ist das Magazin schon abrufbar. Lenz feiert sich dafür, das Verbot aus Berlin umgangen zu haben. Man sei „stolz darauf, die Presse-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit aktiv zu verteidigen“, sagt er am Mittwoch.
Tatsächlich löste das „Compact“-Verbot eine Debatte über Zensur aus. Tenor: Die Inhalte des vom Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuften Magazins seien zwar besonders übel und demokratieverachtend, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ein Verbot sei zudem juristisch heikel. Faeser bemühte dafür das Vereinsrecht, ein wackeliges Konstrukt. Die „Compact“-Anwälte haben bereits im Eilverfahren Klage gegen das Verbot vor dem Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Jetzt also die Veröffentlichung trotz Verbots, die ähnlich wackelig ist. Im Bundesinnenministerium ist man im Bilde. Ein Sprecher verweist auf das Vereinsgesetz, das eine „Weiterbetätigung im Sinne eines verbotenen Vereins unter Strafe stellt“. Ob es sich aber bei „Näncy“ wirklich um ein Ersatzprodukt für „Compact“ handelt – und nicht etwa um einen einmaligen PR-Stunt –, muss sich erst zeigen. Voraussetzung wäre ein regelmäßiges Erscheinen, Herausgeber Lenz deutet das zumindest an. „Man munkelt, dass mehrere Ausgaben unter einem anderen Titel erscheinen werden, zum Beispiel unter dem Titel Stabil.“
Haben Elsässer und Co. das Faeser-Verbot am Ende trickreich umgangen? Oder droht auch dem neuen Produkt die Einstellung? Das zu bewerten, ist Sache der Strafverfolgungsbehörden. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Potsdam heißt es am Freitag auf Anfrage allerdings, derzeit gebe es „keinen anhängigen Vorgang“. In Sachen „Näncy“, heißt das, wird noch nicht ermittelt.
MARCUS MÄCKLER