Das Problem sind die Männer, die urteilen

von Redaktion

Der Fall Imane Khelif

Es sind schöne Olympische Spiele, die wir gerade erleben – nur in einem Aspekt nicht: Krampfhaft wird versucht, ihnen Skandale anzuheften und sie zum Sinnbild zu machen für den angeblichen Niedergang des Abendlands, seiner Kultur und Werte. Der erste Aufreger war die Eröffnungsfeier mit einer Abendmahlszene, die gar keine war, und seit einigen Tagen rauscht durch die Sozialen Medien eine Woge der Empörung über das Frauenboxen. Auch hier war die Faktenlage schnell klar: Imane Khelif ist keineswegs ein Kerl, der sich mal eben umdefiniert hat zur Frau (was in Algerien auch nicht möglich wäre), ihr wurde bei der Geburt das Geschlecht weiblich zugewiesen, sie wurde als Mädchen aufgezogen, das sich den Zugang zum Boxsport erst erkämpfen musste. Und rein boxfachlich: Dass Imane Khelif alles weghauen würde – so ist es ja nicht. Sie hat Kämpfe verloren, und nur 13 Prozent ihrer Siege erfolgten durch einen K.o.

Es mag sein, dass es bei ihr eine Anomalie gibt, die zu einem höheren Testosteronspiegel führt wie schon bei der südafrikanischen Mittelstreckenläuferin Caster Semenya – doch schon dass eine Sportlerin sich einer Fleisch- und Organbeschau aussetzen muss, ist zutiefst unwürdig. Mit dieser Intention richtet sich der Blick auch nur auf Frauen, nie auf die männlichen Sportler. Michael Phelps ist 23-maliger Olympiasieger, er hat das Schwimmen dominiert, auch weil er durch Spannweite der Arme und Länge des Torsos Vorteile hatte – doch er war eben das von Gott beschenkte Wunderkind. Frauen, die von der Norm abweichen, die von Männern definiert wird, scheinen des Teufels zu sein. Eine verachtenswerte Einstellung. Guenter.Klein@ovb.net

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