Immer mehr Rentner arbeiten

von Redaktion

1,35 Millionen Senioren jobben – Linke: Armutszeugnis für Deutschland

Dieser Fliesenleger arbeitet im Ruhestand. © picture alliance

Berlin – 1,35 Millionen Menschen (Stichtag 31.12.2022) gehen auch trotz Bezugs ihrer Rente weiterhin einer Beschäftigung nach, so das Ergebnis einer kleinen Anfrage der Linken an die Bundesregierung. Dabei beruft sich die Bundesregierung auf Statistiken der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Laut dieser arbeiteten 1,1 Millionen Menschen nach der Regelaltersgrenze (also der abschlagsfreien Rente; für die meisten ab 67 Jahren) weiter. Darunter waren rund 888 000 Menschen geringfügig in Minijobs beschäftigt (höchstens 538 Euro pro Monat), etwa 240 000 arbeiteten darüber hinaus noch mehr.

Insgesamt 245 000 Menschen bezogen schon vor der Regelaltersgrenze von 67 Jahren Rente und arbeiteten trotzdem. Darunter 174 000 in Minijobs, 76 000 waren mehr als geringfügig beschäftigt. Dazu zählen Menschen, die Anspruch auf die sogenannte Rente mit 63 haben, die also bereits 45 Jahre Versicherungsbeiträge eingezahlt haben. Die neuen Zahlen lassen unterschiedliche Lesarten zu. Einerseits sprechen sich sowohl die Ampel-Koalition als auch die Opposition von CDU/CSU seit Langem dafür aus, Menschen im Alter länger in Arbeit behalten zu wollen. Viele sehen darin einen Hebel gegen den Fachkräftemangel.

Deshalb sieht die Bundesregierung in ihrer Anfang Juli präsentierten Wachstumsinitiative vor, dass weiterhin arbeitende Rentnerinnen und Rentner die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung künftig direkt ausgezahlt bekommen. Bei den Rentenbeiträgen sollen die Menschen selbst entscheiden dürfen, ob sie sie direkt ausbezahlt bekommen wollen oder nicht. Außerdem will die Ampel-Koalition eine steuerfreie Prämie für arbeitende Rentnerinnen und Rentner einführen. Auch die Union forderte bereits steuerliche Erleichterungen für weiterarbeitende Menschen.

Sogar Rentenpolitiker Matthias Birkwald von der Linken unterstützt die Ampel-Pläne. Er spricht gegenüber unserer Zeitung von einem „richtigen Signal“, dass sich für Menschen im Alter „Arbeitsleistung auch direkt lohnt“, so Birkwald. „Viele Rentnerinnen und Rentner werden davon profitieren, denn schon jetzt sind es fast anderthalb Millionen Rentnerinnen und Rentner, die sich trotz ihrer Rente noch etwas hinzuverdienen müssen oder wollen, zum Großteil in geringfügiger Beschäftigung, also in Minijobs.“

Vor diesem Hintergrund dürften sich die Parteien über die Zahl arbeitender Rentnerinnen und Rentner freuen. Die Anreize für die knapp 1,4 Millionen arbeitenden Seniorinnen und Senioren würden künftig aber auch ein ordentliches Loch in der Staatskasse bedeuten, sollten die Pläne wie geplant umgesetzt werden. Wie die Deutsche Rentenversichung errechnet hat, würde dem kommenden Haushalt durch die wegfallenden Beiträge weiterarbeitender Rentner jährlich eine Milliarde Euro fehlen.

Weiteren Anlass zur Sorge bietet die hohe Zahl der arbeitenden Rentnerinnen und Rentner angesichts der Altersarmut. Zwar lässt sich aus der Antwort der Bundesregierung nicht herauslesen, welche Menschen aus reiner Freude an der Beschäftigung weiterarbeiten und welche es wegen zu geringer Rente müssen. Anzunehmen ist jedoch, dass letztere einen erheblichen Anteil ausmachen. Linkenpolitiker Birkwald bereiten die neuen Zahlen deswegen Sorgen. „Dabei ist es unerträglich, dass die Renten in Deutschland durchschnittlich so niedrig sind, dass viele Rentnerinnen und Rentner darauf angewiesen sind, weiterzuarbeiten“, sagt Birkwald.
MORITZ MAIER

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