Der heikle Nebenjob des Abgeordneten

von Redaktion

Ein Vorstandsposten bringt Baupolitiker Baumgärtner kurzfristig Geld – und langfristig Ärger

München/Kronach – Es war ein schwieriges Lob vom Chef. Der Abgeordnete Jürgen Baumgärtner sei der „geeignete Mann“ für die neue Aufgabe als Aufsichtsratschef beim staatlichen Wohnungsbau, sagte Markus Söder im Juni in einer Regierungserklärung im Landtag. Und: „Trotz mancher Versuche, ihn zu diskreditieren“. Der Nebensatz ließ doch aufhorchen.

In der Tat: Baumgärtner hat seit Monaten Ärger am Bein. Ob er diskreditiert wird oder ob ihn ein Fehler einholt, ist Auslegungssache. Der 51-Jährige aus dem Stimmkreis Kronach steht eigentlich vor einem Karrieresprung. Ministerpräsident Söder hat ihn auserkoren, um die mäßig erfolgreichen bayerischen Wohnungsbauunternehmen an eine kurze Leine zu nehmen. Baumgärtner soll den Aufsichtsrat einer Holding führen und den Bau massiv ankurbeln. Fachlich kann man ihn als geeignet ansehen, wenn der Posten aus der CSU-Fraktion besetzt wird; was aus Söders Sicht jedenfalls strategisch sinnvoll ist. Baumgärtner kümmert sich politisch um Bauthemen, führt den Bau-Ausschuss im Landtag. Der Berufsoffizier gilt als zupackend und durchsetzungsstark, bisweilen ruppig und kantig.

Er wird allerdings eine Sache aus seiner Heimat nicht los. In Kronach wurde 2020 das „Lucas-Cranach-Campus“-Kommunalunternehmen LCC gegründet. Es sollte Immobiliengeschäfte abwickeln, Wohnraum (auch für Studenten) schaffen, Gewerbe und Industrie anlocken. Als Vorstand, Teil einer Doppelspitze, wurde der Abgeordnete berufen. Der BR listete unlängst auf, bis Ende 2022 habe das Unternehmen rote Zahlen und 78 Millionen Euro Verbindlichkeiten gesammelt, dafür aber auch hunderte Wohnungen übernommen. Es seien hohe Ausgaben für Berater angefallen. Ob „LCC“ zum Erfolg wird, ist erst auf lange Sicht zu bewerten, vor Ort gibt es in den kommunalen Gremien sehr klare Mehrheiten dafür. Was aber auffällt: Baumgärtners Lohn.

Neben dem Mandat als Abgeordneter (in Bayern verpflichtend der Hauptjob) ließ er sich als Vorstand ein Gehalt von 6034 Euro auszahlen, 13 Mal im Jahr, Laufzeit acht Jahre. Veröffentlicht wurde die Zahl vom Landkreis nicht. Ein langer, kritischer Prüfbericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands warnt, ein Landtagsmandat sei doch bereits eine „Vollalimentation aus der Staatskasse“. Ein Extra-Jahressalär von fast 80 000 Euro stünde dann „außer Verhältnis zu den wahrgenommenen Aufgaben“. Die Passagen liegen unserer Zeitung vor. Als die Prüfung lief, reduzierte LCC Baumgärtners Bezüge ab 2022 auf 51 000 Euro und teilte mit, er arbeite hier nur 19 Stunden die Woche, nicht Vollzeit. Ende 2023 stieg er als Vorstand ganz aus.

Mit Abgeordneten in üppigen Nebenjobs hat die CSU immer wieder Ärger gehabt. Einige stürzten, auch bei legalen Konstruktionen. In diesem Fall deutet vieles darauf hin, dass Söder an ihm festhält, auch an der Beförderung. Baumgärtner selbst geht offen mit Nachfragen um. Das Vorstandssalär sei 2020 sogar bei 8500 Euro angesetzt gewesen, „ich habe gesagt, runter mit der Gehaltsstufe“. Die Prüfung, die dann den noch immer zu hohen Satz bemängelte, habe er selbst angestoßen, das Gehalt gesenkt und die Differenz zurückbezahlt. Auch die Landtagsdiät sei ihm gekürzt worden. Netto seien für die Führung eines Unternehmens mit 100 Millionen Euro Umsatz dann noch 1500 Euro bei ihm angekommen. Baumgärtner sieht LCC im Übrigen als vollen Erfolg und Modellprojekt, „das läuft super“.

Was bleibt: Ärger, mindestens für ihn. Seit vielen Monaten werden Aufsichtsbehörden, Grünen-Politiker und Medien regelmäßig mit Details und kritischen Fragen versorgt, teils anonym. Klar, da laufe eine Kampagne gegen ihn, sagt Baumgärtner. Er ordnet das zum Teil dem AfD-Umfeld in der Region Kronach zu.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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